Altchristliche Malerei.
Unter diesen Umständen, angesichts der den gesammten Cultus seit dem
1. Jahrhundert schon beherrschenden Arcandisciplin, angesichts der allegoristi-
sehen Schriftauslegung, angesichts der dem jungen Christeilthum vom Orient
her geläufigen, durch die Heilige Schrift Tag für Tag genährten symbolischen
Sprache wäre es geradezu unbegreiflich gewesen, wenn die monumentale
Bildersprache der Christen nicht von vornherein einen symbolischen Charakter
gehabt haben sollte.
Mit diesem Inductionsbeweis stimmen die Thatsachen vollkommen überein.
Die älteste Erwähnung christlicher Bildwerke, wie sie sich bei Clemens
Alexandrinus findet, spricht den symbolischen Charakter derselben zweifellos
aus; die ältesten Gemälde der Katakomben sind, wo sie über das reine Orna-
ment hinausgehen, entschieden symbolisch: Daniel zwischen den Löwen, das
Gastmahl im Eingang von S. Domitilla; der gute Hirte ebenda, im Cubiculum
des Nereus und in einer der Lucinakrypten von S. Callisto; der Fisch, Jonas,
die Attribute des guten Hirten ebenda, w. Wir kommen auf die Zu-
sammenstellung dieser Scenen Wieder zurück.
Es bleiben, ehe wir weiter gehen, noch andere Fragen zu erledigen, Didakti-
zunächst diejenigen nach dem didaktischen Charakter der altchrist-
liehen Bildwerk e. Hinsichtlich der nachconstantinischen Zeit wird der- altehrw-
selbe, wie wir gesehen haben, selbst von den Gegnern unserer Auffassungnchenxunst
nicht ernstlich in Abrede gestellt. Es wäre allerdings auch schwer, so be-
stimmten Aeusserungen zu widersprechen, wie denen eines hl. Paulinus
von Nola, eines Gregor d. Gr. u. A. Paulinus z. B. erzählt uns (um
4_10-431) von den in den Atrien und Portiken der von ihm erbauten Felix-
klrche in Nola angebrachten Bildercyklen und gibt als Zweck derselben aus-
drücklich die Erbauung und Belehrung des Volkes an:
Nunc volo picturas fucatis agmine longo
porticibus videas, paulumque supina fatiges
colla reclinato dum perlegis omnia vultu:
Qui videt haec, vacuis agnoscens vera liguris,
non vacua fidam sibi pascet imagine mentem.
Er erklärt dann Weiter, wie die des Lesens unkundige bäuerliche Be-
Völkerung (r-usiicitas non cassa fide, negue docta Zegendü einer Unterstützung
durch das Bild bedürfe, und fährt fort:
Propterea Visum nobis opus utile, totis
felicis domibus pictura ludere sancta:
si forte attonitas haee per speotaoula mentes
agrestum capereb fucata eoloribus umbra,
quae super exprimitur titulis, ut littera monstret,
quod manus explicuit: dumque omnis pieta vieissim
ostendunt, releguntque sibi, vel tardius escae
sint memores, dum grata oeulis ieiunia pascuut;
atque ita se melior stupefactis inserat usus,
duni fallit pictura famem, sanetasque legenti
historias castorum operum subrepit honestas
exemplis inducta. piis. 1
Paulinus huldigte also der Ansieht des Hieronymus, dass die Belehrung
der Menge viel erfolgreicher durch das Auge als durch das Ohr erfolge
(multo plus intelligitur, guod oculis videtur quam quod aure percipiturg); und
1 PAULIN. NoL. Nat. Fel. Poem. XXIV
(de S. Felice Nat. IX) V. 511-515. 580- 591.
2 HIERON. Epist. ad Fabiol. LXIV 10 (Opp.,
edd. VALLARSI et MAFFEI I [Ven. 1767] 361).