Altchristliche Malerei:
Die junge Gemeinde hatte keinen weiten Weg zurückzulegen, um sich
eine symbolische Ausdrucksweise, eine Bildersprache zu schaffen. Sie war
im Orient geboren, und die Sprache dieses Orients war von jeher eine sym-
bolische; die ganze Kunst und Poesie des Morgenlandes war seit Jahrhunderten
gewohnt und ist noch gewohnt, in Hieroglyphen ihre Gedanken zu verbergen
und in Gleichnissen sie anzudeuten. So war die Sprache des Alten Testaments;
die mächtigen Bilder der Propheten und ihre Visionen konnten bei den Christen
nicht ohne Einfluss sein: vor allem aber war es das Evangelium, war es der Herr
selbst, der in Gleichnissen zu reden pflegte (Matth. Kap. 24. Marc. Kap. 8):
sein eigener Mund hatte Allegorien gelehrt wie die des guten Hirten, wie die des
Weinstocks und der Schösslinge, wie die des Saemanns. Mehr noch als dies.
Der hl. Paulus hatte in seinem Galaterbrief (4, 22-26) die Juxtaposition
alt- und neutestamentlicher Vorgänge und Anschauungen gezeigt und von
der Geschichte Abrahams und seiner beiden Söhne, jenes der Magd und dieses
der Freien (1 Mos. 16, 5; 21, 2), ausdrücklich erklärt, es sei die Geburt dieser
Söhne secmzduan carnenz und per promissiovzevn per allegoriam gesagt, und
damit war der Weg zur allegorischen Interpretation gewiesen.
Dieser Weg ist am frühesten und am energischesten in der alexandri-
nischen Schule betreten werden. Hier war zu einem solchen freilich der legmjg
Boden am besten vorbereitet. Hatten schon die Juden Palästinas dogmatische
Interessen mittelst der allegorischen (Midrasch) wie haggadischen Auslegung
Zu stützen gesucht, so gingen die alexandrinischen Juden darauf aus, platonische
Philosophie mit dem alttestamentlichen Gottesworte zu decken: das geschah
mittelst der allegorischen Interpretation, in welcher Philo der Meister war
und welche sich von der Art, wie Jesus und die Apostel alttestamentliclie
Stellen aufnahmen und auslegten, wesentlich dadurch unterscheidet, dass die
Auslegung Christi und der Apostel niemals einen religiös falschen oder sitt-
lieh bedenklichen Satz durch Belegstellen des Alten Testaments zu decken
sucht, während die jüdisch-rabbinische Exegese durchaus nicht von derartiger
Willkür und Künstelei freizusprechen ist. Philo bildet die Brücke zu dem
Neuplatonismus; aber noch ehe dieser auftritt, sehen wir die ersten Ansätze
einer allegorischen Auslegung des Alten Testaments schon bei Clemens von
Rom, weit mehr noch in dem Barnabasbrief, den aller Wahrscheinlichkeit
nach ein alexandriniseher Christ des beginnenden 2. Jahrhunderts verfasst hat.
_Seine Typologie kann schon geradezu ausschweifend genannt werden; mit
Ihm befinden wir uns sofort auf dem Boden der Zahlenallegorie 1, in welcher
sich namentlich die Gnostiker des 2. und 3. Jahrhunderts so stark zeigen 2.
III massvoller Weise folgten Justin, Irenaeus, I-Iippolytus, Cyprian
dem allegorischen Zug der Zeit, immer in der Absicht, das Dogma zu stützen,
während der Gnosticismus einen förmlichen Gegensatz zwischen dem Alten
und Neuen Testament schuf und die grösste Willkür in seine Allegorik hinein-
1 Man vgl. BARNAB. Ep. c. 9 die Allegorie
der Zahl 318, wo zu 1 Mos. 17, 26 f. gesagt
wird: ,Es besehnitt Abraham aus seinem
Hause 318 Männer verstehet erstlich die 18,
dann die 300 Die 18 anlangend, bedeutet
l zehn, das H acht: da hast du (den abge-
kürzten Namen) Jesus. Weil aber das Kreuz
(durch den Buchstaben) T die Gnade unserer
Erlösung ausdrücken sollte, so spricht die
Heilige Schrift von 300. So zeigt sie in den
zwei Buchstaben (IH) Jesum, und in dem
einen das Kreuz auf Die Stelle ist wichtig
für die Entstehungsgeschichte des Mono-
gramms Jesu.
2 Vgl. REUss Die Heilige Schrift des
Alten Testaments. II 5 (Braunschw. 1874)
253. HEINRIGI Die valent. Gnosis und die
Heilige Schrift (Berl. 1871) S. 81 f.