Drittes Buch.
gleichen Grundsätze der Interpretation wie bei den römischen Denkmälern
platzgreifen; und da nun die classischc Archäologie der Gegenwart sich für
den wesentlich rein ornamentalen Charakter des antik-römischen Grabschmuckes
entschieden, so sei die symbolische Auffassung auch für die christlichen Werke
abzulehnen.
Wir werden sofort sehen, an welchen Gesichtspunkten und Thatsachen
diese neueste Auffassung scheitert 1. Hier genüge die Bemerkung, dass die
Hasencleversche Theorie ebenso mit der notorischen Entwicklung des Christen-
thums aus dem Judenthum als mit den neuesten Ergebnissen der archäologi-
schen Forschung betreffs des Charakters des spätrömischen Graberschmuckes
im Widerspruch steht.
Wir müssen, ehe wir weiter gehen, einige Punkte klarstellen, welche in
der einen oder andern der hier aufgeführten Interpretationsmethoden einer
irrigen Auffassung unterliegen.
Die Arcandisciplin der alten Christen ist in neuerer Zeit protestan-
tischerseits mehrfach als eine ,Umbildung des Gottesdienstes zur Mysterien-
form" (so Harnack) erklärt worden. Schon Augusti meinte, sie sei durch die
ägyptisch-pythagoreisch-platonische Mysteriosophie, welche sich in Alexandrien
besonders im Zeitalter der Ptolemäer entwickelt habe und durch Philo em-
pfohlen worden sei, in die christliche Kirche hereingebracht worden 2. Die erste
Spur derselben und zugleich eine Bezugnahme auf jene hellenischen Mysterien
will man bei Tertullianß gefunden haben. Alle diese Hypothesen halten vor
einer vorurteilsfreien Betrachtung der Quellen nicht stand. Es kann nicht be-
zweifelt werden, dass man, der Anweisung des Herrn (Matth. 7, 6) entsprechend,
schon seit apostolischer Zeit bedacht war, das ,Heilige nicht den Hunden preis-
zugeben und die Perlen nicht vor die Schweine zu werfeni Die Geheimhaltung
der Mysterien vor der profanen Welt tritt uns unzweifelhaft nicht bloss in der
Litteratur der apostolischen Väter (Ignatius im Brief des Unbekannten an
Diognet c. 4. 11), sondern auch in dem bekannten Schreiben des Plinius an
den Kaiser Traian und in der seit wenigen Jahren erst bekannten Didache
entgegen 4. Das führt uns mindestens in den Anfang des 2., meiner Ansicht
nach sogar in die siebziger Jahre des 1. Jahrhunderts. Bestand die Arcandis-
ciplin von Anfang der Christenheit an, so musste sie sehr bald und mit Noth-
Wendigkeit die Gläubigen dazu führen, nicht bloss in den Erzeugnissen ihrer
Feder, sondern auch in ihren monumentalen Schöpfungen, vor allem in dem
Bilderschmuck ihrer Coemeterien, dasjenige nur verhüllt und im Symbole auszu-
sprechen, was man als eigentliche Geheimlehre der Religion Christi zu betrachten
gewohnt war und dessen Entheiligung durch die Thorheit oder die Bosheit der
Ungläubigen nicht ohne das schmerzlichste Gefühl befahren werden konnte.
Arcan-
disciplin.
1 Für die Details muss schon hier auf
die beiden Abhandlungen Jos. WILPERTS:
Principienfragen der christlichen Archäologie,
mit besonderer Berücksichtigung der ,F0r-
schungen' von Schnitze, Hasenclever und
Achelis erörtert. Freib. 1889; und: Noch-
mals Principienfragen der christlichen Archäo-
logie (Separat-Abdruck aus der ,Rö1nischen
Quarfalschrift" 1890. Rom und Freib. 1890),
verwiesen werden.
2 AUGUSTI Beiträge II 66 f.
3 Apolog. c. 7: ,Si semper latemus,
quando Iiroditum est quod admittinnus ?
Imo a quibus prodi potuit? ab ipsis enim
reis non utique, cum vel ex forma. omnium
mysteriorum silentii üdes debeatur. Same-
thracia et Eleusinia reticentur: quanto magis
talia, quae prodita interim etiam humanem
animadversionem provocabunt, dum divina
servatur" etc. Vgl. De praescr. haer. c. 41.
4 Ich verweise für die nähern Nachweise
dieser Sätze auf DE RossI Bull. 1886. 4" ser.
IV 22 sq., und PETERS in KRAUS Real-Encykl.
d. christl. Alterth. I 74 f.