Volltext: Anatomie von Hirsch, Reh und Ziege (Bd. 4)

bogen befindet sich die Augengrube, die beim Hirsch in 
der Regel tief eingefallen ist. 
13, 13', 13", 13'" (Fig. 8, 9, 10 u. 11) I-Iinterhauptsbein (Os occipi- 
tale), und zwar 13 der Körper, 13' der Hinterhaupts- 
stachel, 13" der Drosselfortsatz und 13'" der Gelenk- 
f ortsatz des Knochens. Das Hinterhauptsbein bildet die 
nackenseitige Wand des Schädels und dürfte plastisch kaum 
in Betracht kommen. 
14 (Flg. 8, 9, 10 u. 11) Scheitelbein (Os parietale). Es bildet die 
knöcherne Grundlage des nach hinten und unten abfallenden 
Teiles des Schadeldaches, der hinter den Hörnern bzw. dem 
Geweih oder Gehörn liegt. Da auf dem Scheitelbeine nur 
dünne Muskeln und die äußere Haut liegen, so bedingt das 
Scheitelbein äußerlich die Modellation der Scheitelgegend. 
15 (Fig. 8, 9, 10 u. 11) Stirnbein (Os frontale). Es bildet die knöcherne 
Grundlage der nach vorn und unten abfallenden Stirngegend. 
Die Stirn-Scheitelgegend ist zwischen den beiden Hörnern bzw. 
den beiden Rosenstöcken und beim Fehlen dieser an der ent- 
sprechenden Stelle am höchsten und fällt von hier aus sowohl 
 nach vorn als auch nach hinten ab. 
15' (Fig. 7, 8 u. 9) Rosenstock. Der Rosenstock ist ein stärkerer 
Knochenfortsatz, der vom Stirnbeine nahe dessen hinterem 
Ende und äußerem Rand abgeht und schräg nach oben, hinten 
und außen gerichtet ist; er ist stets von der äußeren Haut 
bedeckt. Ihm sitzt das Geweih (Gehörn) auf; infolgedessen 
ündet er sich nur beim männlichen Hirsch und beim Reh- 
bock, nur ausnahmsweise auch beim weiblichen Hirsch und 
Reh  Alter). Beim ausgewachsenen. Hirsch ist der Rosen- 
stock 3-5 cm lang, selten noch langer. 
Auf dem Rosenstocke sitzt das Geweih, das eine ganz andere Bildung ist wie die 
Hörner der Wiederkauer. Das Geweih stellt nämlich im fertigen Zustand 
einen vom Rosenstock aus gewucherten und je nach dem Alter verschieden- 
artig verzweigten Knochenfortsatz dar, der in regelmäßigen jähr- 
lichen Perioden entsteht, abgeworfeniund wieder neugebildet wird. In der 
Regel wird er im Frühjahr gebildet und ist zunächst von der äußeren 
Haut, dem "Bast", überzogen. Nachdem die Bildung des Geweihes be- 
endet ist, wird die Haut abgestreift bzw. abgerieben ("gefegt"), so daß der 
Knochenfgrtsatz nackt zutage tritt. Dieses Geweih (Gehörn) wird gegen 
Ende des Kalenderjahres oder zu Anfang des nächsten Jahres an der 
Grenze zum Rosenstock abgeworfen und alsbald neugebildet. Der Rehhock 
wirft in der Regel im November, aber auch schon Ende Oktober (besonders 
ältere Böcke) oder Anfang Dezember ab (besonders jüngere Böcke). Zu 
Weihnachten sieht man schon, daß der Bock schiebt: es werden von der 
Haut überzogene Kolben gebildet; deutlicher wird die Bildung des neuen 
Gehörns im Januar des nächsten Jahres und ist in der Regel Ende 
März beendet, "nur bei jüngeren Böcken meist etwas später (April, aus- 
nahmsweise selbst Mai). Gefegt wird vom Rehbock Ende März und im 
April bis Mai. Das Rotwild (der Edelhirsch) wirft im Februar (Hornung) 
oder Anfang März, der Damhirsch sogar erst Anfang April ab; sofort er- 
folgt dann" die Bildung des neuen Geweihes, die im allgemeinen bis in 
den Juliedauert; dann wird gefegt. Junge Hirsche, zumal Spießer, tragen 
Spieß bzw. Stange oft noch im Mai, haben jedoch ebenfalls im August 
bereits gefegt. Nachdem das Geweih abgeworfen ist, wobei es natürlich 
zu einer starken Blutung kommt, schließt sich die Haut über dem Rosen- 
stocke wieder und wird erst durch-die Bildung des neuen Geweihes vor- 
getrieben. Dicht über dem Rosenstocke besitzt das Geweih einen knorrigen, 
starken, zirkumskripten Wulst, die Rose, so deß hier das Geweih deut- 
lich vorspringt und gegen den Rosenstock abgesetzt ist; weiter oben 
(spitzenwärts) stehen Knöpfchen oder in der Form ähnliche Wucherungen, 
die Perlen. 
Geweih ist, wie schon erwähnt, nach dem Alter der Tiere verschieden. Im 
1. Lebensjahre des Hirsches ist überhaupt noch kein Geweih vorhanden. 
  n): 317    i)?    
      
a -b  c  d e f g 
Fig. 1. l-Ialbschematische Darstellung des Geweihes des Hirsches in den 
verschiedenen Jahrgängen.  
Im 2. Lebensjahre bildet das Geweih einen einfachen, gerade verlaufenden 
und nur wenig gebogenen Fortsatz, den "Spieß", der noch ohne Rose und 
Perlen ist (Textügur 1a). Im 3. Jahre zweigt vom Spieße, der Stange, 
nahe dem Rosenstock ein Seitenast, der "Augensproß", ab  Im 4. Lebens- 
jahre gesellt sich zu Stange. und Augensproß noch der Mittelsproß, 
der ungefähr in der Mitte der Länge der Stange abzweigt und dem Augen- 
sproß fast parallel gerichtet ist (o)  die Stange erfährt eine leichte Knickung 
nach hinten. Im 5. Lebensjahre gabelt sich die Stange an ihrem Ende  
so daß das Geweih jederseits in 4 Enden ausläuft (Achtender), d. h. in 
den Augensproß, den Mittelsproß und die beiden Gabelenden. Schon bis 
hierher ist die Geweihbildung aber keine regelmäßige (es braucht sich 
z. B. nicht jedes Jahr ein neues Ende an jeder Stange zu bilden). Vom 
6. Jahr ab erfolgt die weitere Bildung des Geweihes noch unregelmäßiger; 
es kann z. B. im 6. Lebensjahre das Stangenende dreigeteilt sein (e) oder 
zweigeteilt bleiben, dafür aber dicht über dem Augensproß der sogenannte 
"Eissproß" entstehen  In beiden Fällen lauft das Geweih jederseits 
in 5 Enden aus (Zehnender). Die Bildung des Geweihes vollzieht sich 
je nach dem Körperzustand, äußeren Verhältnissen (z. B. Äsungsverhält- 
nissen) und Abstammung des betreffenden Hirsches usw. bald rascher, bald
	        
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