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Fünftes Capitel.
Die untergeordneten Kunstarten und das Kunsthandwerk.
d. h. mit schneidenden Instrumenten angegriffen oder geschliffen. Die beiden
letzteren Arten der Technik kommen auch vereinigt vor und zwar namentlich
bei der Ilerstellung der Gefäße mit Relief, von denen die berühmte Portlandvase
den ersten Rang behauptet, während die hier (Fig. 320) abgebildete, in dem nach
ihr genannten Grabe rxtombza del vaso da" vctro blu) (S. 406) gefundene Amphora
den Platz zunächst dieser einnehmen dürfte. Wie in der Regel bei diesen Ge-
fäßen besteht der Grund oder der Kern aus einem farbigen und (lurcvhsichtigen
Glasfluss, der in diesem Falle vom schönsten satten Dunkelblau ist, während
das aufgeschmolzene und sodann zur Schärfung der Formen geschliffene und
caelirte Relief opak, undurchsichtig, in dem_ gegenwärtigen Falle rein weiß
ist. ])ie (lomposition dieses Reliefs ist eben so reich wie seine Ausführung
zierlich und elegant ist. Über einem schmalen sockelartigen Streifen, der
weiflende Thiere enthält, sind einander gegenüber zwei bakchische Masken
angebracht, die eine männlich, die andere weiblich. Hinter denselben erheben
sich starke Reben, welche ihr mit anderem Laubwerk, Blumen und Früchten
verschlungenes Rankengeflecht um den ganzen Bauch des Gefäßes spinnen,
indem sie zwei Figurencompositionen umrahmen. Diese beiden Figureneom-
positionen zeigen idealisirte und durch Genien (largestcllte Scenen der Wein-
lese in etwas verschiedener Auffassung, beide Male jedoch unter heiterer
Musikbegleitung. Einerseits (rechts in Fig. 320) schwingt in der Mitte
begeistert ein Knabe den Thyrses, indem er zu dem Takte der Musik der
von zwei sitzenden Genossen geblasenen Hirte11- und Doppelüöte die frisch-
gepflückten Trauben, die ein Vierter im Gewandbarlsch zntriigt, mit den
Füßen austritt; andererseits nimmt die Mitte eine Darstellung des heitern
Weingenilsses unter der Musik einer Lyra ein, während zu beiden Seiten ein
Kilabe, mit dem Pflücken der Trauben beschäftigt, auf einem hohen Pestamente
steht. Das heitere und bewegte Leben dieser Reliefe und die reizende Fülle
der sie umrankenden Arabesken erinnert gewiss Jeden an Goethes Vers :
Sarkophage und Urnen verzierte der Heide mit Leben;
das ganze Gefäß aber, welches auf einem eigenen losen Fuß aufrecht gehalten
wurde, eines der völlkoxnmensteu seiner Art, bietet einen erfreulichen Schluss
der artistischen Betrachtungen der Denkmäler Pompejis.
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