Goldschmiedekunst.
Silberne Becher.
Glasarbeit.
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der gelungenen Zeichnung zu reden nicht nöthig. So erfreulich aber auch
dieses Kunstwerk sein mag, es wird doch an Schönheit noch weit übertroffen
durch den dritten Becher, einen von zwei ganz ähnlichen, zusammengehörigen
und zusammen nebst noch zwölf anderen, weniger ausgezeichneten und man-
cherlei anderen Dingen gefundenen, und zwar gegen Ende März 1835 in dem
nach diesen ausgezeichneten Gefäßen so genannten Hause der Silhergeschirre
( Oase delf argenteria) in der Strada di Mercurio (N0. 27 im Plan). Wahrlich,
es lohnt sich, den Ort und das Datum dieses Fundes zu verzeichnen, denn
diese Becher sind ein Höchstes in ihrer Art, dem sich nicht eben Vieles (lOT
gleichen Gattung aus dem Alterthum an die Seite stellen kann, eine so be-
deutende Anzahl von Künstlern grade auf diesem Gebiete, der Reliefbildnerei
in Silber, Ruhm erlangt haben. l)ie Figuren sind auf das Bewunderungs-
würdigste bis zu fast vollkommener Rundung in hohem Relief ausgetrieben,
auf "s feinste und zarteste modellirt, von den lebensvollsten Formen und dem
gelungensten Ausdruck. Der Gegenstand ist ziemlich einfach; auf beiden
Bechern ist ein Kentaur und eine Kentaurin gebildet, welche, mit den
Hinterbeinen sitzend, vorn erhoben oder wie sich erhebend einen kleinen Eros
als Reiter auf dem Rücken tragen, ein Motiv, das auch sonst noch in ver-
wandten Darstellungen sich wiederholt. Jedoch ist dasselbe jedesmal verändert.
Bei den männlichen Kentauren des in der Abbildung wiederholten Bechers
ist der kleine Eros eben im Begriffe aufzusteigen, während sich der Kentaur,
der einen mächtigen Thyrsos auf der linken Schulter und den dionysischen
Kantharos in der Rechten trägt, aufmerksam zu seinem kleinen Reiter l1erum-
wendet, offenbar bereit aufznstehn, sobald das Knäbcherl fest oben sitzen wird.
Bei der Kentaurin der Kehrseite hat der Reiter seinen Platz schon eingenom-
men und scheint sie mit erhobenem linken Händchen, mit dem rechten ein
um ihren Arm geschlungenes Fell ergreifend, gleichfalls zum Aufstehn anzu-
treiben. Auch sie, welche einen llirtenstab in der Rechten trägt und mit der
Linken Trauben in dem Bausch ihrer Fellbekleidung zusammenhält, wendet
sich zu dem Kleinen zurück, als wolle sie mit ihm über seinen Eifer scherzen.
Den Hintergrund bildet dort ein portikenartiges Bauwerk, auf welchem eine
Reihe Vasen aufgestellt ist,_ hier ein knorriger Baum links und eine Statue
des Dionysos auf hohem Postamente rechts. An dem andern Becher hält der
bequem auf dem Rücken des Kcntauren sitzende Knabe eine Kithara und der
Kentaur selbst außer einem Pinienzweige eine Syrinx, während die Kentaurin
aus einem Trinkhorn Wein in eine Hache Schale fließen lässt und ihr kleiner
Reiter gleichfalls ein Trinkgeschirr handhabt. Zu dem Ganzen dieser Becher
ist noch zu bemerken, dass dieselben mit einer glatten Silberplatte im Innern
gleichsam gefüttert sind, durch welche die hineingegossene Flüssigkeit ver-
hindert wird, sich in den Ilöhlungeil der ausgetriebenen Reliefe zu fangen;
so sind diese kostbaren Gefäße auch für praktische Zwecke brauchbar, keines-
wegs bloße Schaustücke.
Der Schluss unserer Pompejanischen Betrachtungen sei mit einem Meister-
werk der (irlasarlweit gemacht, einer Technik, in welcher die Alten kaum minder
Bewunderungswürdiges leisteten als in der Toreutik. Nach Plinius wurde
das Glas dreifach bearbeitet, entweder geblasen oder gegossen oder caelirt,
Overbeck, Pompeji. 4. Aufl. 40