Die Landschaftsmalerei.
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manches Andere der Art, obgleich diese Bilder doch auch anders sein könnten,
wenn ihre Maler kein Gefühl für die landschaftliche Stimmung gehabt hätten.
Es möge vielmehr nur auf ein paar Beispiele hingewiesen werden, in welchem
das Gefühl für das Landschaftliche besonders fein hervorzutreten scheint.
Ein Bild (Ant. di Ercol. V, 135. Roux II, 40) stellt Narkissos am Quell dar.
Der Jüngling schmachtet noch nicht nach seinem Bilde, er hat sich in seinem
selbstischen Trieb in die Einsamkeit zurückgezogen, die er nachlässig, träiu-
merisch, an den Rand des Quells gelagert, genießt. Diese Einsamkeit aber ist
in der Landschaft vortrefflich ausgedrückt. Vorn der im Felsenbecken ge-
fangene Quell von einem Baume leicht beschattet, im Hintergründe eine Fern-
sicht von Bergen begrenzt, durch eine weite Ebene von uns getrennt. Eben
dadurch wird es im Vordergrunde so heimlich, so still, so träumerisch wie in
der Seele des Jünglings, der diese Einsamkeit gesucht hat. Das schon erwähnte
Hylasbild (Hlbg. N0.126U) ist in seiner Ausführung nicht grade bedeutend
und gegenwärtig fast ganz verdorben; es mag in den Nachbildungen (Ant. di
Ercol. IV, 31. Mus. Borb. I, 6. Roux II, 22) in der Ausführung moderuisirt
sein, in der Composition und in dem, was der Künstler mit seiner Landschaft.
wollte, ist es antik. Die Geschichte des von den Quellenuymphen geraubten
Hylas ist ungefahr die von Goethes Fischer; jene wunderbare Sehnsucht, die
(las schwärmerische Gemüth hinabzieht in die räthselhafte Tiefe des klaren
kühlen Nass, liegt zum Grunde. Und dem entspricht das Landschaftliche
dieses Bildes, ein schattig dichter Wald, eine Waldeinsamkeit, in der nur
Echos Ruf ertönt. Unter überhangenden Büschen das krystallene Quellbeckeu,
welches uns die Labung, die süße Lässigkeit dieses Ortes empfinden lässt.
Hier ist's, wo die schönen, üppigen Daemouen der Waldesstille und der
Fluthenkühle den Jüngling ergreifen und ihn umarmend hiuabziehn, "dass er
nicht mehr gesehn wird. Diese beiden Beispiele werden zeigen, um was
es sich handelt, und genügen, um auf Verwandtes aufmerksam zu machen,
welches man um so bereitwilliger anerkennen wird, wenn man davon absieht,
dass das Landschaftliche in der Ausführung gewöhnlich weniger vorzüglich als
das Figürliche ist, und dass das Fehlen des Helldunkels dem Eindruck, den die
landschaftlichen Umgebungen historischer Bilder bei satterer Behandlung auf
uns machen würden, starken Abbruch thut. Denn das Fehlen einer stimmungs-
vollen Beleuchtung der Landschaft, auf welche die moderne Landschaftsmalerei
just das allergrößte Gewicht legt und in welcher sie selbst in solchen Bildern,
welche in den Formen des Terrains oder der Vegetation wenig oder keinen
landschaftlichen Reiz bieten, ihre Triumphe feiert, bezeichnet die Grundver-
schiedenheit aller antiken, nicht blos der pompejanischen Landschaftsmalerei
von der modernen. WVir kennen keine antike Landschaft, in welcher Wolken
dargestellt wären und ihren Einfluss auf die Beleuchtung ausübten ; alle zeigen
klaren Himmel, der nach oben blau, gegen den Horizont in gelblichen und
röthlichen Tönen gemalt zu sein pflegt, ohne dass man dabei an die Stimmungen
von Morgen- oder Abendroth zu denken hatte. Ehen so wenig äußert der
Wind seine Wirkungen in der Landschaft, weder auf die Baume noch auf das
Meer, das wohl in den Fernen mit weißen Schaumstreifen, nie aber bewegt,
wogend und an die Küsten brandeud dargestellt wird. Und auch die Licht-
Overbeck, Pompeji. 4. Aun. 39