Die Farbengebung.
Die Landschaftsmalerei.
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vermissen, wobei indessen nicht übersehn werden darf, dass erstens die ge-
sammte Farbenscala des Fresco bedeutend höher steht, als die der Ölmalerei
und dass zweitens die schon besprochene Rücksicht auf die mangelhafte Be-
leuchtung vieler Zimmer die Maler abhalten musste, dunkele Töne und Farben
anzuwenden, auch wenn sie ihnen zu Gebote standen.
Was die anderen Gattungen in der Malerei in Pompeji anlangt, dürfte
denselben mit den Bemerkungen, welche die mitgetheilten Proben begleiten,
in der Hauptsache genug gethan sein. Nur über die Landschaftsmalerei,
besonders auch insofern sie sich mit Figurencompositionen verbindet, mögen
hier noch einige allgemeine Betrachtungen Platz finden. Wenn dieselben je-
doch nicht am Schlusse dieses Capitels wieder zu einem eigenen Capitel aus-
wachsen sollen, so muss auf eine WViederholung dessen, was Woermann (s.
Anm. 242) S. 392 ff. über die niemals ganz correcte, mehr auf dem Gefühl,
als auf wissenschaftlicher Erkenntniss und Construction beruhende Linear-per-
spective und die meistens auch nur angestrebte Luftperspective, über die Ab-
stimmung der in den Landschaften verwendeten Farben nach der Gesammt-
decoration, über Licht und Schatten, über die zweifelhaften Naturstudien der
campanischen Landschaftsmaler und die meistens nur ganz allgemeine Cha-
rakteristik der von ihnen dargestellten landschaftlichen Elemente (besonders
Bäume, Felsen, Berge) Treffendes und YVahres gesagt hat, abgesehn und nur
das Eine hervorgehoben werden, dass wo es um das erste Erforderniss eines
Kunstwerkes, die Correctheit, so bedenklich steht, wie dies in der That bei
recht vielen, wenn nicht den meisten pompejanischen Landschaften der Fall
ist, von dem Urteil eines berühmten Kunsthistorikers, welches den pompejaner
Landschaftsmalereien den Charakter Poussinlscher Bilder zuspricht, von vorn
herein am besten ganz abgesehn wird. Denn schon der decorative Charakter,
welchen sie mehr oder weniger alle, vielleicht mit Ausnahme der oben schon
als höchste Classe bezeichneten heroischen und idyllischen Bilder tragen,
verbietet es, sie mit eines so bedeutenden Meisters Werken überhaupt zu ver-
gleichen. Viel eher könnte man zu dem Zweifel gelangen, ob man eigentliche
Landschaftsmalerei in Pompeji überhaupt anzuerkennen habe. Denn wenn
man das Gebiet der Landschaftsmalerei so eng umgrenzt, wie dies ein bedeu-
tender zeitgenössischer Aesthetiker thut (Vischer, Aesth. ß 698), Welcher da
sagt, die Landschaftsmalerei idealisire eine gegebene Einheit von Erschei-
nungen der unorganischen und vegetabilischen Natur zum Ausdruck
einer geah nt en Seelenstimmung, wenn man mit diesem Aesthetiker die freie
landschaftliche Composition als nschon nicht eigentlich das Wahren verwirft,
und die künstlerische Schöpfung des Landschaftsmalers darauf anweist, der
realen Natur gegenüber von einem mit oder ohne Suchen gefundenen Stand-
punkte i11 der Weise der Zufalligkeit das Bild eines schönen Ganzen zur An-
schauung zu bringen ; wenn man, immer noch mit Vischer, wo möglich Alles
Menschenwerk, alle Baulichkeiten, falls sie nicht durch Verfall den Ton eines
Naturwerks erhalten haben, wenn man ferner, wo möglich alle Staffage bis
auf einzelne Thiere, vor Allem aber Menschen von dem Landschaftsbilde aus-
schließt, falls diese sich nicht bescheiden, nicht anders aufzutreten, denn in
der Bestimmtheit, in welcher sie selbst als Kinder der Natur erscheinen, so