Das Malerische.
Figuren und Inmdschaft.
Der Ausdruck.
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der alten Maler dies zeugt, die Aufmerksamkeit nicht auf unerhebliche Neben-
dinge ablenken zu wollen, ein solches Verfahren, welches übrigens auch große
moderne Künstler eingehalten haben, mangelhaft finden, aus einem unmale-
rischen, aus einem plastischen Compositionsprincip wird man es mit Fug nicht
ableiten dürfen.
Als ein plastisches Element in der antiken Malerei überhaupt, besonders
aber in den pompejanischen Wandgcmälden hat man es endlich bezeichnet,
dass der Ausdruck in den Köpfen mangelhaft und gleichgiltig wie die Plinen,
bescheiden und zurückhaltend wie die Andern sagen, vorgetragen sei. Auch
diese Behauptung ist, ganz abgesehn von der antiken Malerei schlechthin und
von dem, was sich in nicht wenigen Bildern namhafter Meister, eines l'ar-
rhasios, Tinianthes, Aristides u. A. an Höhe des ethischen und pathetischen
Ausdruckes geleistet hat, selbst für die POIIIPGjHIIiSClICD Bilder nur dann zu
rechtfertigen, wenn man solche des dritten Stiles (s. oben), nicht aber wenn
man solche des letzten Stiles im Auge hat, unter denen sich genug Beispiele
eines sehr energisch (largestellten Ausdrucks des Urefiihles und der Leiden-
schaft in den Köpfen findet. Es braucht nur. um sehr Bekanntes zu nennen,
an die Medea, an den Achill bei der Wegfiihrung der Briseis, an die Theil-
nehmer an Iphigenicrns Opferung, an den Orest und Pylades, an den Thoas
und selbst an den Wächter neben ihm in dem mehrfach angeführten Orestes-
bilde erinnert zu werden. Trotzdem kann man zugestehn, dass in vielen
Fallen der Ausdruck in den Köpfen minder lebhaft, namentlich aber, dass er
minder fein ist, als er in moderner Malerei sich zeigt, man darf hervorheben,
dass namentlich die leiseren Schwingungen des Gemüthes in Freude und Weh-
muth sich äußerst selten auf den Gesichtern spiegeln. Wenn dies aber ein
Mangel ist, so sollte man sich doch ja hüten, denselben als ein Princip,
oder gar als ein plastisches Princip der Malerei anzusprechen. Denn es liegt
doch offenbar viel naher anzunehmen, dass Unvermögen, einen feinen seeli-
schen Ausdruck in die Köpfe zu legen, die gleiehgiltigen und ausdruckslosen
Gesichter erzeugt hat, wenn man sieht, dass die Darstellung heftiger Gemüths-
bewegungen nicht blos angestrebt, sondern, als die vergleichsweise leichtere,
vielfach gar wohl gelungen ist. Aber sei immerhin die Mäßigung im Aus-
druck ein Princip der alten Malerei, so ist damit noch lange nicht bewiesen,
dass es ein plastisches Element sei, um so weniger, als wir von der früher aller-
dings allgemein geglaubten These von der Ruhe als dem Princip plastischer
Composition mit Fug und Recht merklich zurückgekommen sind. Und wenn
wir, wie gesagt, die heftigen Bewegungen der Seele unumwunden in den
pompejaner Wandgemälden dargestellt und nur die leiseren Erregungen
mangelhaft ausgedrückt finden, während umgekehrt in der Plastik der Alten
ein Abdampfen im Ausdruck gewaltiger Leidenschaften behauptet wird, und
eine gar nicht zu beschreibende Feinheit in der Darstellung milder (iemüths-
bewegungen und Stimmungen unbestreitbare 'I'hatsache ist, wo bleibt da das
Vergleichbare? WO die Begründung der 'I'hesis, der mangelhafte oder be-
scheidene Ausdruck in den Köpfen pompejanischer Gemälde beruhe'auf einem
plastischen Princip der alten Malerei"?
Wenden wir weiter unsere Aufmerksamkeit auf die Farbengebung, so ist