Bilder dritten und vierten Stiles.
Die schönsten Bilder.
zu sein, denn obwohl Ausnahmen vorkommen, finden wir nicht selten selbst
in den sorgfältig gemalten Bildern dieses Stiles eine gewisse Starrheit und
Ausdrnckslosigkeit der edel geformten Gesichter. Wenn uns dagegen in den
Bildern des vierten Stiles, und zwar nicht alleiii den sorgfältiger ausgeführten,
sondern auch in manchen flüchtig und lüderlich hingeworfenen eine Menge
von ausdrucksvollen Gesichtern entgegenkommt, so mag das mit dem nähern
Verhältniss der Maler zu den lebenden Modellen ihrer Zeit im Zusammen-
hange stehn. Endlich sind auch die Malweise und die Farbengelniiig in beiden
Stilarten so verschieden, dass deren Merkmale zur Zuweisung der Bilder an
die eine und die andere ausreicht. In den Bildern dritten Stiles ist die Zeich-
nung durchweg feiner, auch in den Einzelheiten mit spitzem Pinsel sorgfältig
durchgeführt, darauf berechnet in der Nähe betrachtet zu werden, häufig
freilich etwas hart und trocken. Auf schöne Linienführung ist viel Werth ge-
legt; die Modellirungen sind sorgfältig durchgebildet, Licht und Schatten
gehn allmahlig in einander über und die Farben sind meistens etwas kalt,
blass und matt. Dagegen ist die Zeichnung in Bildern des letzten Stiles viel-
fach, aber keineswegs immer, weniger sorgfältig und mehr auf Farbenwirkung
berechnet, dafür aber nicht selten weicher und flüssiger. Auf Linienschönheit
ist meistens weniger Gewicht gelegt, als auf die Farbenwirkung und auf das
kräftige, plastische Hervortreten der üppigen Formen. Das (Yolorit ist lebhaft
und warm, namentlich in den Fleischtönen, und kräftige Lichter sind oft ge-
schickt und wirkungsvoll aufgesetzt, ohne allmähliche Übergänge in die be-
schatteten Theile.
Es ist vielleicht nicht überflüssig, dieser Charakteristik der Bilder des
dritten und des vierten Stiles die Bemerkung hinzuzufügen, dass ein Vorzug an
sich den älteren vor den jüngeren nicht zugesprochen werden kann. Dies
könnte in der That so scheinen, wenn man sammtliche Hervorbringungen
der einen und der andern Periode mit einander vergleicht und dabei außer
Acht lässt, dass wir aus der jüngern so ziemlich Alles, das Geringe und
Flüchtige, selbst Rohe neben dem Bessern und Guten besitzen, während aus
der altern, deren Monumente vielfach durch das Erdbeben zerstört und durch
Neubauten der letzten Periode ersetzt sind, eine verhaltnissmäßig beschei-
denere Auswahl, ohne Zweifel des uns gekommen ist. Gegen-
über den guten Bildern der einen und der andern Classe wird man sich wohl
zu hüten haben, von einem Vorzuge der altern vor der jüngern zu reden, da
sich vielmehr nicht läugnen lasst, dass die schönsten aller pompejanischen
Bilder von NVänden des vierten Stiles stammen. Als solche schönsten Bilder
nämlich wird man, um hier nur einige anzuführen, da die großartig aus-
geführte Auffindung des Telephos (Hlbg. N o. 1143) herculanisch ist, in erster
Linie die großen Bilder aus der (Iasa di Lucrezio (oben S. 3 l 7 f.) nennen dürfen,
demnächst das Iphigenienbild aus der domus Popiclii Secunzli (Oasa del citarista
oder dlßgenia, Hlbg. N0. 1333), welches, im Ganzen vortrefflich, namentlich
in den Gestalten des Orestes und Pylades das höchste Lob verdient. Neben
diese Bilder stellt sich dann die heilige Hochzeit des Zeus und der Hera
aus dem Atrium der (Fasa del poeta tragico (oben S. 287), denen sich die
übrigen derselben Fundstelle, ilamentlich die Entführung der Briseis (S. 591),