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Drittes Capitel.
Die Malerei.
Art, Gebüschen, Laubgängen u. dgl., dann auch Landschaften, Genrebildchen,
Stillleben, endlich die die phantastischen Architekturen gleichsam als ihre
Bewohner belebenden menschlichen Figuren mehr oder weniger eng in die in
einem frühern Capitel geschilderte Gesammtrlecoration der späteren Stilarten
verflochten und ihre organischen Bestandtheile sind. Nun ist allerdings nicht
zu läugnen, dass den größeren Compositionen, besonders denen mythologischen
Gegenstandes, ein höherer ideeller Charakter zugesprochen werden muss, als
den eben erwähnten reinen Decorationsmalereien; man kann hierbei als be-
zeichnende Äußerlichkeit die feste Umrahmung dieser Bilder oder ihre oben
näher besprochenerEinfassung in die pavillonartige Decoration der WVandmitte
geltend machen, welche sie aus der Wandüäche abhebt und welche auf's be-
stimmteste ihr Hervorgehn aus an den WVänrlen aufgehängten oder unter
eigenen Gerüsten aufgestellten Tafelgemälden einer ältern Kunst erkennen
lässt 233). Gleichwohl haben auch diese Bilder nicht oder doch nur selten den
Charakter selbständiger, für sich bestehender Kunstwerke , sondern sie geben
die Beziehung zu der Gesammtdecoration der Wand, für welche sie gemalt
sind, so wenig auf, wie andererseits die Gesammtdecoration als Umrahmung
des llzluptbilrles den Zusammenhang mit diesem verläugnet. Aus diesem
decorativen Zweck und Charakter auch der Hauptbilder erklärt sich, wenn-
gleich nicht allein, so doch zum guten Theile die Wahl der in ihnen dar-
gestellten Gegenstände. Denn diese gehören nicht allein bei aller Mannig-
faltigkeit doch keineswegs einem sehr weiten Kreise an, begreifen vielmehr
ihrem hauptsächlichen Bestande nach, allerdingsbesonders in den Bildern aus
der letzten Periode, wie ein gründlicher Kenner sagt, nur die Mythen, welche
durch Wiederholte Behandlung der Dichter und Künstler zu einem Gemeingut
der gebildeten YVelt, zu einer Art nmythologischer Scheidemünzea geworden
waren, sondern der decorative Zweck hat auch, wie erst neuerdings gründlich
nachgewiesen worden ist 239), auf die Zusammenstellung der für einen und
denselben Raum bestimmten Bilder (die nGegenstückea) einen viel weiter
reichenden Einüuss ausgeübt, als der uns auf den ersten Blick gerechtfertigt
erscheinen will. Wenn es aber, was die Auswahl der Gegenstände im Allge-
meinen anlangt, nur natürlich erscheint, dass die Räume, in denen man sich
täglich bewegte, mit einem Bilderschmuek bekannter und lieber Darstellungen
versehn wurden, durch welche der Beschauer, ohne zum Nachdenken oder
zum gelehrten Studium aufgefordert oder genöthigt zu sein, sich angenehm
und leicht erregt fühlte, so ist es bei einigem Nachdenken auch nicht schwer,
zu begreifen, dass bei der Zusammenstellung die Rücksicht auf Ähnlichkeit in
der Composition der verschiedenen Bilder diejenige auf die Verwandtschaft
der Gegenstände in einem uns allerdings überraschenden Maß überwogen hat.
Vvellll Wir aber in den pompejaner Wandgemälden eine vorwiegend auf das
Anmuthige und sinnlich Reizende gerichtete Auffassung und Darstellung
finden, fo hat auFh das, grade so gut wie die Auswahl der nGegenstücke-u, nicht
am wenigsten seinen Grund in dem decorativen Grundcharakter, welcher dem
Gwßtartfgen und dem tragisch Erhabenen seinem innersten YVesen nach ab-
geneigt 1st.
Ehe nun auf die einzelnen Fragen über die pompejaner Bilder einge-