Bronzestatuetten.
Bedenken entgegenstehn, ist gesagt worden ; es fragt sich nur, ob diejenigen
geringer sind, welche sich an die Benennung der Statuette als Dionysos
knüpfen. Denn mag es Echos Ruf, mag es der Schlag der Nachtigall oder das
Rauschen eines Quells oder endlich IIICIISUlIllUlHEI (ircsatng sein, der des Lauschers
Ohr trifft, als nLauscheru scheint ihn seine Stellung sicher zu bezeichnen und
eben so sicher sind es süße 'l'öne, die zu ihm dringen , und denen hingegeben
er das Ilaupt wie selbstvergessen sinken lasst und wie verzaubert in seiner
Stellung verharrt. Ob und wie sich hiermit der Name des Dionysos wird ver-
einigen lassen, dem freilich der Charakter der (icstalt entspricht, mag dahin-
stehn; eine sichere Entscheidung scheint nicht möglich. Denn so richtig der
Grundsatz sein mag, dass wir Kunstwerke aus der Analogie paralleler Kunst-
werke erklären sollen, eben so unanfechtbar dürfte der andere sein, dass keine
Erklärung eines Kunstwerkes auf Giltigkeit Anspruch hat, welche wichtigen
Momenten in diesem selbst widerspricht oder sie nicht deckt. Wie bedenk-
lich aber im vorliegenden Falle der Analogiescliluss aus einem nicht ganz er-
haltenen, sondern selbst erst nach Wlerlnuthung zu ergänzenden und seinem
Motive nach zu errathenden Kunstwerke sei, ist hinlänglich betont werden.
Und auch den Einwand, dass das Motiv des Lauschens, namentlich für eine
lebensgroße Figur, wie die florentiner, zu genrehaft sein würde, kann man
nicht gelten lassen. Denn einerseits fragt es sich, ob das für die florentiner
Figur vorausgesetzte Motiv des Spielens mit einem Thiere minder genrehaft
wäre, und andererseits sind die Beispiele derartig genrehafter Motive seit der
Periode der zweiten Blüthe der Kunst zu hauiig, um in einem bestimmten
Fall Anstoß erregen zu können. Halten wir uns also vor der Hand an die
Composition unserer pompejanisirhen Bronzefignr selbst, so wird man sagen
dürfen, dass ihre Stellung lieblicher und anmuthiger nicht sein konnte,
möge man die zarte Wcllenlinie der Umrisse oder die feinen Gegensätze der
tragenden und getragenen Theile, des zurückgezogenen rechten Armes mit
gesenkter Schulter und des aufgestiitzten linken mit der höhern Schulter
illlS Auge fassen. Ja diese scheinbar so natürliche Stellung ist mit einer
Feinheit erfunden und in der ganzen Composition durchgeführt, dass sie des
größten Meisters würdig erscheint und dass sie das Auge des Beschauers
nicht wieder loslässt, er möge die Statue in der Vorder- oder in der Hinteran-
Sicht oder in einem der beiden Profile vor sich haben. Und in gleichem Maße
liebenswürdig sind die Formen, sind die Verhältnisse, ist die Weichheit der
Einzelbehztndluiig, welche weit eher an Fleisch und blühend zarte Haut, als an
Bronze denken lässt. Es ist freilich keine erhabene Schönheit, eher eine sinn-
liche, aber von der höchsten Reinheit und Unschuld, und rein und unschuldig
Sind auch die Züge des Köpfchens mit seiner zierlichen Lockcnumrahmilng
und ist der zwischen Träumen und Sinnen, zwischen Lächeln und leiser Weh-
muth schwebende Ausdruck des reizenden Antlitzes. Möge die Statue, welche
durch ihren Charakter und Stil dem Kreise praxitelischcr Kunstiibung zuge-
wiesen wird, einen Namen tragen welcher es sei, unvergämglicher Ruhm und
eine bevorzugte Stelle in unserenl Alltikenschatz ist ihr für alle Zeit gewiss.
Unter den kleineren Bronzen zeigt die Nike (Fig. 290) am meisten
Elgenthümlichkciten, welche sie einer Hervorhebung werth machen. Zunächst