Bron zesmtxletten.
Hause des Vico del balcone pensile gefundene, in _jeder Hinsicht bewunderungs-
würdige Bronzestatuette (Höhe ohne die Basis 0,59 deren nach einer Pho-
tographie gemachte Abbildung das Titelblatt dieses Buches schmückt, und
welcher, wenn sie nicht die Krone aller bisher in Pompeji gefundenen Kunst-
Werke ist, sich nur der tanzende Satyr der Casa de! Fauna als ebenbürtig an-
reihen kann. Der Name, welcher dieser unbeschreiblich weichen und dabei
dennoch frischen, lieblichen Jünglingsgestalt zu geben ist, steht auch heutigen
Tags nach vielfachen Erörterungen noch nicht über allen Zweifel fest, obgleich
die allgemeine Ansicht, sich je länger, desto mehr der gleich in den ersten
Zeiten nach der Auffindung ausgesprochenen Erklärung zuneigt, dass der
mit einem Panther spielende Dionysos zu erkennen sei T16). Allerdings hat
Minervini, dessen Resultaten sich auch Fiorelli in allem Wesentlichen an-
geschlossen hat in einem gelehrten Aufsatze Gründe für die Benennung
der Figur als Narkissos geltend zu machen gesucht, und dieser Name ist
jetzt der am allgemeinsten gebrauchte. Allein wenn er auch ohne Zweifel
Manches für sich zu haben scheinen mag, so stehn ihm doch nicht allein einige
nebensächliche Umstände entgegen, das Ziegen- oder Rehfell nämlich, das
von der linken Schulter des Jünglings herabhangt und um seine linke Hand-
wurzel geschlungen ist, und der Epheukranz mit Beeren, welcher sich durch
sein Haar schlingt, sondern die Situation, nach welcher hier Narkissos den
Sclnneichelvvorten der Echo lauschend dargestellt sein soll, entspricht nicht
dem Narkissosmythus. Die angeführten Einzelheiten, welche Minervini für
Narkissos vergeblich zu rechtfertigen sucht, weisen mit Bestimmtheit auf den
dionysischen Kreis hin, und ihnen gegenüber ist zur Erklärung der Statue
wohl der Gedanke an einen Satyrn ausgesprochen worden, welche in ihren
edelsten Gestaltungen nicht allein in ganz ähnlicher Zartheit und weicher
Jllgendblüthe, sondern auch ohne jegliches thierische Abzeichen (Spitzohren
und Ziegenschwvänztehen] vorkommen, durch welches sie sonst bezeichnet zu
Sein pflegen. Ob aber irgendwo ein Satyr mit einer so zierlichen Fußbe-
kleidung nachweislich ist, wie sie unser Jüngling trägt, ist sehr fraglich, und
Gleiches dürfte von Pan (Diopan) gelten, welchen ein weiterer Erklärungs-
Versuch in dem Jüngling erkennen möchte, so dass man sich auch mit
dieser Erklärung nicht zufrieden geben kann, so wenig an der gelegentlich
rein menschlichen und jugendschönen Bildung des Pan gezweifelt werden soll.
Für die Benennung als Dionysos wird neuerdings von mehren Seiten besonders
die Parallele eines von Michel Angele zu einer Gruppe ergänzten, lebensgroßen
Marmortorso in Florenz T1") geltend gemacht, welcher, das lasst sich nicht ver-
kennen, mit der in Rede stehenden pompejaner Figur eine große, wenn auch in
der Bewegung des Leibes vielleicht nicht vollkommene Ähnlichkeit hat. Das
Unglück ist nur, dass an dem i-lorentiner Marmor der Kopf, beide Arme und die.
Beine von den Knien abwärts der Ergänzung angehören und dass, wenngleich
eine abgearbeitete Stelle an der linken Hüfte mag schließen lassen, dass die
florentiner Figur in Übereinstimmung mit der pompejauer Bronze die linke
Hand hier aufgestützt hatte, ihr Motiv doch nur vermuthet werden kann. Nun
S011 freilich nicht geläugnet werden, dass für den florentincr Torso die An-
nahme, dies Motiv habe in dem Spielen des Gottes mit einem neben ihm am