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Zweites Capitel.
Die Plastik.
Werke von etwas größerem Maßstäbe verdienen in alle Wege eine besondere
Hervorhebung und eine etwas näher eingehende Besprechung. lhrer zwei,
wahre Perlen der Bronzebildnerei, haben die neueren Ausgrabungen zu Tage
gefördert. Erstens den hierneben (Fig. 289) nach einer Photographie ge-
zeichneten Silen (Kopfhöhe ohne die Basis 0,42 M.) , welcher in dem Hause
des N. Popidius Priscus (Uasa dei marmz",
m Plan No. 71) gefunden, als Gefaßfuß
v] ' gedient hat, und zwar so, dass das frag-
) mentirt mitgefundene Gefäß in dem von
üilggpäwgrrurrzgrfgff, ihm mit der Linken emporgehaltenen
ßwßw ' Ringe Stand. Es ist einfach unmöglich,
" ' 1 das mühsame, alle Kräfte des Körpers
Fwßfw l in Anspruch nehmende Emporstiitzen
l einer schweren Last und den vollen und
dabei derben Eifer, mit welchem der
dickbäuehige alte Geselle dies Geschäft
kg a), besorgt, besser auszudrücken, als es hier
I) "Ä geschehn ist, und zwar mit YVuhrneh-
mung nicht allein der hauptsächlichen,
sondern einer ganzen Reihe feinerer M0-
ß.) tivc der Bewegung, wie dasjenige des
i l" rechten Armes, welcher das Gleichge-
(f wicht herzustellen sucht, das Andriicken
1': I), des bärtigen Kinnes an die Brust, die
Stellung der Füße. Seltsam, dass sich
mit dieser untadelhaft ausgeführten,
i. vortrefflichen Composition eine ganz un-
i) gereimte Erfindung zur Aufnahme des
"i! von der Figur getragenen Gefäßes ver-
ß QRUfQ bindet. Dieses nämlich stand, an und fiir
k 3' sich fest genug, zwischen den drei Pal-
metten des emporgehaltenen Ringes:
Fiä- 289- Sile" von Bronze allein diese Palmetten entspringen so un-
organisch wie möglich aus dem Ringe,
der von einer Schlange gebildet wird, und dieser wird von dem Silen an einem
Punkte seines Umkreises gefasst und so mit seiner Belastung gehoben, was
wiederum statisch und mechanisch ein Ding der reinen Unmöglichkeit auch
dann sein wurde, wenn der Ring nicht aus einem biegsamen Schlangenkörper
bestünde, namentlich bei der Schwere der Last, welche eine so große An-
strengung des 'I'rägers erfordert, wie die hier bei der Größe des Gefäßes mit
gutem Grunde dargestellte. Es dürfte schwer sein, ein zweites Beispiel aus
der verwandten Antike aufzufinden, in welchem sich der feinste künstlerische
Geschmack mit einem ähnlichen Mangel an Takt und Gefühl Verbände , wäh-
rend wir Modernen freilich zu Hunderten dergleichen Erfindungen machen,
gegen welche diese hier noch als musterhaft gelten muss.
Noch ungleich liebenswürdiger ist die wie schon früher gesagt in einem