Fünftes Capitel.
nicht genau festgestelltem Maße durch das Erdbeben während der Eruption
des Vesuv, von dem Plinius redet, zertrümmert, zum größern durch die
antiken und modernen Ausgrabungen und vor und nach ihrer WViedergeburt
durch den nagenden Zahn der Zeit beschädigt, dem die verschleppende Hab_
sucht nur zu sehr zu Hilfe gekommen ist. Von allen Privathäusern Pompejis
mit wenigen Ausnahmen stehn rlngefahr nur die Erdgeschosse, Welche in den
beiden älteren Perioden der Stadt thgilg aus Quadern, theils aus opus incertum
mit reichlichem Mörtel, in der römischen Zeit aus dem letztern, seltener aus
Ziegeln oder aus gemischtem Material erbaut sind, während die leichter und
dünner gebauten, zum Theil mit Fachwerk durchzogenen oberen Geschosse
fast durchweg, sowie die aus Holz construirten Dachstühle fehlen, und ent-
weder unter der Wucht der Verschüttung zusammengestürzt, oder aus der
Versßhüttung hervorragend, im Laufe der Jahrhunderte sei es durch Men-
schenhand, sei es durch natürliche Einflüsse verschwunden sind. Diese oberen
Geschosse, von denen erst den neuesten Ausgrabungen gelungen ist wenig-
stens einige Fußböden und die unteren Theile der YVände zu retten, diese
Obergeschosse zu restauriren, würde sehr schwer sein, da sich begreiflich von
den Holzbauten der Alten so gut wie nichts erhalten hat, Wenn uns hier nicht
einerseits Herculaneums Ruinen zu Hilfe kämen, welche uns wenigstens
einige Muster des Zimmerhandwerks erhalten haben, und zwar zum Theil in
verkohlten Balken und Streben, zum Theil in Abdrücken der Holzconstruction
in den umgebenden und jetzt erharteten Schlammströmen, und wenn nicht
andererseits die neuesten Ausgrabungen in Pompeji diese Muster in der über-
raschcndsten Weise vermehrt hätten. So wie seit dem Anfang der 50er Jahre
gegraben wird, Wird Ziemlich alles Holzwerk, wenngleich natürlich verkohlt,
gefunden; es wird gemessen und durch neu eingesetzte Stücke ersetzt, so
dass wir es an Ort und Stelle wie am Original studiren können. Und da, wo
dies nicht möglich, ist häufig ein Anderes möglich, der Ausguss in Gyps näm-
lich, in welchem eine ganze Reihe von Gegenständen, Haus- und Zimmer-
thüren, Ladenverschlüsse, Bettstellen, ja eine spanische Wand von Holz und
gewebtem Stoff und ein Korb von feinem Weidengeflecht in dem Localmu-
seum, wo sich auch die Leichenabgüsse und die Menschen- und Thiergerippe
finden, aufbewahrt und dem genauesten Studium zugänglich ist. Durch diese
Muster, auf welche später zurückgekommen werden soll, sind wir in den Stand
gesetzt, die fehlenden, an sich einfachen Gallerien, Dächer und sonstigen
Theile der oberen Geschosse mit Sicherheit zu reconstruiren, und in gezeich-
Iletelä wenn allßh nicht ausgeführter Ergänzung die bedeutenderen Häuser uns
vorzufiihren. Es ist übrigens hiebei nicht zu vergessen, dass bei weitem die
wichtigsten Räumlichkeiten des antiken Hauses im Erdgeschosse liegen, wäh-
rend das obere Stockwerk meistens nur kleine Schlaf- oder Esszimmer oder
Miethswohnungen enthält, die nicht selten zu den ebenfalls vermietheten
Läden im Erdgeschoss gehören. Da nun auch die Ornamente von Marmor
oder Stucco größtentheils, auch wo sie nicht mehr vorhanden, doch bekannt
sind, so vermögen wir uns ein ziemlich vollständiges Bild von dem architekto-
nischen Gesammteindruck der pompejanischen Gebäude zu entwerfen. Von
den öffentlichen Gebäuden stehn ebenfalls meistens nur noch die zerbrochenen