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Erstes Capitel.
Die Architektur und das Bauhandwerk.
Das dritte Material der plastischen Ornamentik ist der Thon, welcher
modellirt oder in Formen gepresst und dann gebrannt zu solchen Ornamen-
ten verwendet wurde, welche besonders der Nässe ausgesetzt waren. Ans ge-
branntem Thon bestanden deshalb besonders die Verzierungen des Daches, die
'l'raufrinnen mit ihren Ansgiissen (Speiern) und Stirnziegeln, weiter Brunnen-
münduilgen und die Atlanten im Tepidarium der kleineren Thermen, aber
auch einzeln Friesreliefe. Im Allgemeinen jedoch ist gebrannter Thon zur
architektonischen Ornamentik in Pompeji nur selten verwendet worden und
seinem Material nach, wenn man von den Wasserspeiern des griechischen
Tempels (S. 494) absieht, gewiss nie zu Gesichte gekommen, sondern mit einer
dünnen Stuccolage überzogen und auf dieser bemalt worden, was sich fiir die
ältere Zeit aus der damals verwendeten groben Tbonmasse erklärt, welche, wie
der T uff, mit einer glatten Oberfläche versehn werden musste, um einen Farben-
auftrag aufnehmen zu können, dessen Vorhandengewesensein sich jedoch
selten nachweisen lasst. In der spätern Periode aber verschwand ohnehin alle
Form, gegen welche man immer gleichgiltiger wurde, unter der dicken, bunt
bemalten Stuccodecke.
Über die einzelnen Formen mögen hier noch die folgenden Bemerkungen
Platz finden.
Die Brunnenmiindungen von Thon waren seit der 'l'ufl'periode im Gebrauch,
es sind aber nur Wenige auf uns gekommen. Die älteren sind mit einem
Triglyphensims abgeschlossen; ein Beispiel mit einem schönen Rankenorna-
ment auf dem mittlern Theile ist bei v. Rohden, Terracotten aus Pompeji
Taf. 27, 1 (das Ornament auch bei Zahn II, 461) abgebildet. Diejenigen aus der
spätern Zeit, in welcher vorzugsweise Travertin zu den Putealen verwendet
wurde, sind mit ganz wenigen Ausnahmen künstlerisch werthlos ; zwei Proben
(die eine aus dem Isistcmpebbei v. Rohden a. a. Ü. 2 u. 3. Etwas zahlreicher
sind die 'l'raufrinnen, ivelche übrigens nur eine beschränkte Anwendung ge-
funden haben und deren von öffentlichen Bauten stammende nur in ganz ge-
ringer Zahl nachgewiesen werden können. Schöne Muster aus der altern
Periode stammen aus der (Iasa dvfSallustio (von Rohden 'l'af. 5, I) und aus der
Casa de] Fazmo (das. 5, 2 u. 6, wahrscheinlich aus den Atrien: sie sind mit
dem schönen feinen Zahnschnittgesims der Tuffperiotle abgeschlossen und ihre
Speier bestehn aus vortrefflich modellirten Löwen- und Ilundeköpfen, während
die Eckspeier, welche die größere Masse Wasser aufzunehmen hatten und vom
Impluvium entfernter waren, selten ebenfalls nur aus Köpfen, der Regel nach
aus weiter vorspringenden Löwenvordertheilen bestehn, zwischen deren Tatzen
sich der Ausguss befindet. Ein Beispiel aus der Casa zlel Fauna a. a. O. T af. 6, 2.
In der Zeit des zweiten Decorationsstiles scheint die Mcdification aufgekommen
Zu Sein, von welcher unsere Fig. 143 (oben S. 260) eine Vorstellung giebt.
Die Form der alten Eckspeier ist hier auf sämmtliche Ausgüsse übergegangen
und neben ihnen, welche Hundevordertheile bilden, erscheint der Eckspeier
als größerer Löwenvordertheil. Die unverkennbare Überladung wird durch die
Palmetten zwischen den Ausgüssen noch vermehrt. Die Stirnziegel, welche
sich jedoch keineswegs mit allen Tranfrinnen verbunden finden, hatten in der
altern Zeit wohl nur die Palmettenform, welche unsere genannte Figur zeigt.