Erster Abschnitt.
Material und Technik.
Steinarten ,
Bauweise.
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lediglich der Spätzeit ein allerdings schon seit alter Zeit bekannter weißer,
fast marmorartiger Kalkstein ungewisser Herkunft, der s. g. Travertin, an,
den wir hauptsächlich aus der unvollendet gebliebenen Wiederherstellung
des Forums nach dem Erdbeben (s. oben S. 73 u. vgl. unten Fig. 270) und
sonst an einigen Bauten kennen lernen, an denen er als iErsatz für den kost-
spieligen weißen Marmor zu dienen hatte. Denn dieser ist Wesentlich als
ein Luxusmaterial der Kaiserzeit zu betrachten, welches nur decorativ in den
weiterhin genauer zu beschreibenden Formen verwendet wurde, uns aber wohl
häufiger, als es thatsächlich der Fall ist, entgegentreten würde, wenn er nicht
bald nach der Verschüttung seines Werthes wegen entfernt worden wäre. In
dem Localmuseum der Porta della marina hat Ruggiero mehre Tafeln mit
Proben der in Pompeji gebrauchten Marmor-, Alabaster- und sonstigen Stein-
arten anbringen lassen und wir finden diese Steinarteil in öffentlichen und in
Privathäusern der späteren Bauperioden in Säulen und Halbsäulen, Capitellen,
Täfelungen, Thüreinfassungen und anderen Gliedern in zum Theil vortreff-
licher Behandlung wieder. Auch zu Fußbodenplattungen wurde in öffentlichen
und Privatgebäuden farbiger Marmor verwendet, der übrigens meistens in
unregelmäßigen Platten, Plättchen und Stücken vorkommt, was den Gedanken
nahe legt, dass es sich hier um den Abfall handelt, der etwa in der Hauptstadt
bei der Herstellung von Prachtbauten übrig blieb und der in die Provinzen
Verkauft worden sein mag 201)
Neben den Bruchsteinen ist endlich noch der Thonziegel zu gedenken,
von denen wir nicht mit Sicherheit sagen können, ob sie einheimisches Fabrikat
oder von außen her eingeführt worden sind. Indem auf ihre Verwendung in
Verbindung mit anderen Materialien zurückgekommen werden soll, sei hier
nur bemerkt, dass in Pompeji, wo sie am frühesten zur Dachbedeckung, dann
Zu Säulen (schon in der Basilika und in den vornehmen oskischen Häusern:
del Fauna, rlel Laberinto u. a.) verwendet wurden, kein ganzes Bauwerk
lediglich aus Thonziegeln errichtet worden ist und dass ganze Wände nur aus
Ziegeln (wie die Facade der Basilika gegen das Forum) zu den Ausnahmen
zu rechnen sind.
Zu dem Material, von welchem die Bauweise abhängt, gehört aber nicht
allein der Stein, aus dem, sondern eben so sehr das Bindemittel, mit dem man
baut. Es ist eines der wesentlichsten Verdienste Nissens (Pompejan. Studien
S. 40 ff), dies nachgewiesen und daraus die für die Bauten in Pompeji sich
ergebenden Folgerungen abgeleitet zu haben.
Nun findet sich neben dem verschieden gemischten Kalkmörtel an
zahlreichen pompejanischen Bauwerken Lehm als Verband der Werkstücke
Verwendet, und wenn es auch irrig sein würde, alle die Stellen, wo dies der
Fall ist, schlechthin für älter zu erklären, als diejenigen, wo Kalkmörtel ge-
braucht ist, so ist doch sicher, dass der Lehmverband dem Kalkmörtel voran-
gegangen ist und dass, so wie ein haltbarer Bruchstein- und Ziegelbau von
der Verwendung von Kalkmörtel abhangt, der massive Quaderbau durch den
Lehmverband bedingt und hauptsächlich durch das Aufkommen des Kalk-
mörtels Verdrängt worden ist.
Es unterliegt hiernach keinem Zweifel, dass wir in den massiven Quader-
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