Viertes _Capite1.
die Stadt Schreitenden, während das kleine Quartier, welches von der Haupt-
straße und der ersten, zu der Stadtmauer führenden Nebengasse eingefasst ist,
erst im Anfang der 90er Jahre ausgegraben wurde. Gleichzeitig grub man
an einigen anderen Stellen, von denen namentlich das Theaterquartier schon
erwähnt wurde, aber nur einzelne Entdeckungen kann man ans diesem Zeit-
raum anführen. So wurde 1761-69 in der genannten Gegend das nach (lgm
Kaiser Joseph II von Österreich genannte Haus (106 im großen Plan) auf-
gegraben, und 1795-98 räumte man abermals in demselben Quartigr und fand
die sogenannte Bildhauerwerkstatt (Plan 107); so brachte das Jahr 1799 durch
die Bemühungen des französischen Generals Championnet zur Zeit der spar-
thenopeischen Republiks die nach ihm benannten Häuser südlich am Forum
(Plan 92) zu Tage. Das ist aber auch fast Alles, was in dieser ganzen Periode
gethan wurde, und von 1800 bis 1802, während der blutigen Reaction unter
den wieder in's Land gekommenen Bourbonen stockte die Arbeit vollständig;
1803 ist sehr wenig und 1804-6 wiederum gar nicht gearbeitet worden,
wenigstens wissen die Tagebücher, sofern solche überhaupt vorhanden sind,
nur von eingestürzten oder ruinirten Gebäuden und von etlichen Maßregeln
zu berichten, welche man gegen den totalen Zerfall ergriff. Reger wurde der
Eifer seit Joseph Bonapartes (1806) und Joachim Murats (1808) Thronbestei-
gung, und in dem Zeitraum von 1806-1815 wurde Bedeutendes geschafft.
Man arbeitete nicht allein mit sehr verstärkter Mannschaft, welche sich 1809
96 Köpfe stark, 1812 eine Zeit lang ca. 150, 1813 aber bis zu 674 Personen
mit 26 Karren und 7 Saumthieren verzeichnet findet, sondern man arbeitete,
was viel mehr sagt, seit 1807 zuerst nach einem bestimmten Plane, dessen
Entwurf von Michael Arditi in den Tagebüchern abgedruckt ist und manches
sehr Interessante enthält. Den Hauptschauplatz bildet das Quartier vom Her-
culaner Thor bis zum Forum und die Gräberstraße von außen her, aber auch
das Amphitheater, dessen Ausgrabung früher in den ersten Anfängen stecken
geblieben war, wurde in den Jahren 1813-16 gänzlich an's Licht gebracht,
ebenso erreichte man schon 1806 die (bis 1813 ganz ausgegrabene) Basilika:
1813 das Forum an seinen beiden Enden; auch eine Reihe der interessanteren
Privathäuser verdankt man dieser Periode des Eifers. Allerdings ermattete der
Impuls nach der glorreichen zweiten YViederkehr der Bourbonen, dennoch
war bis 1823, außer einer bedeutenden Zahl von Privathäusern, das ganze
Herz der Stadt, das Forum civile mit allen umliegenden Gebäuden, sowie der
größte Theil des Umfanges der Stadtmauern und die ganze Gräberstraße zu
Tage gefördert. Leider war auch in dieser Periode seit dem Beginn der plan-
mäßigen Ausgrabungen das Verfahren ein verkehrtes. Man räumte nämlich,
dem Niveau der Straßen und der Fußböden der Gebäude folgend die Verschüt-
tungsmasse in verticalen Abschnitten fort, wobei dieselbe, welche, wie schon
früher bemerkt worden, zur Hälfte aus lockeren und unverbundenen Lapilli, zur
Hälfte aus der darüber liegenden schweren, verschlämmten Asche besteht,
nothwendig nachstürzen und eben so natürlich die von ihr getragenen und
gestützten Theile der Baulichkeiten in ihren Sturz n1it hineinziehen musste.
Wie viele Dächer, Erker, Balcone, obere Fußböden u. dgl. auf diese Weise
zusammengebrochen und dann als werthloser und unförmlicher Schutt wegge-