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Sechstes Capitel.
Zeugnisse des Verkehrs und des Lebens nach Inschriften.
muthetef); die neueren Ausgrabungen haben uns aber zwei Mal denselben
Tribünen T. Suedius Clemens, den kaiserlichen außerordentlichen Commissar,
dessen Wirksamkeit in Beziehung auf Expropriation occupirter Bodenstrecken
schon früher erwähnt wurde (oben S. 404), in die Wahlangelegenheiten Pompejis
hineingezogen gezeigt, indem seine mächtige Empfehlung für einen Candi-
daten in die Wagschale geworfen wird; denn an eine directe Einmischung
dieses hochgestellten Mannes ist auch hier sicherlich nicht zu denken. Um
nicht zu tief in Einzelheiten zu gerathen, welche hier doch nicht erledigt
werden können, muss es genügen, den Wortlaut der in Rede stehenden In-
schriften in einer unten stehenden Note w") mitzutheilen. Als Besonderheiten
führen wir demnächst noch an, dass neben demjenigen, welcher, und zwar als
öffentlicher Schreiber, der dies Geschäft jahrein, jahraus besorgte xff), die
ßVahlempfehlungen angeschrieben zu haben angiebt (scripsit; scrzjator), in
einigen Fällen auch noch der genannt ist, welcher eine ältere Inschrift über-
weißt hat (deallwmte; dealbator) (1190. 222), um für die neuen den nöthigen
Platz herzustellen. Dem entsprechend finden wir denn auch an nicht wenigen
Stellen mehre solcher Inschriften über einander gemalt, und mehr als eine
ältere, zum Theil von den auf den Tuff gemalten, ist, wie schon erwähnt, erst
dadurch sichtbar geworden, dass die Überweißung, welche die jüngeren trug,
abgeblättert ist.
Dass die ständig sich wiederholenden Ämter des Aedilen oder Duumvirn,
zu denen der und der empfohlen wird, und dass die fast eben so ständigen
Lobsprüche, die wir oben kennen gelernt haben, dass endlich das immer
wiederkehrende orat vosfaciatis, rogazf, cupit, _facz't in Siglen und Abkürzun-
gen oder mit einem einzigen Buchstaben für jedes Wort geschrieben ist, wird
Niemand Wunder nehmen; viel auffallender ist die Thatsaehe, dass auch die
Namen der Empfohlenen gelegentlich und nicht ganz selten -mit den bloßen
Anfangsbuchstaben bezeichnet sind, so dass wir Inschriften finden, welche fast
nur aus einzelnen Buchstaben bestehnffff); und dennoch scheint es, dass
diese Thatsache nicht wegzuleugnen ist, welche sich daraus erklären mag,
dass die in solchen Inschriften Empfohlenen besonders stadtbekannt und viel-
leicht grade zur Zeit einer WVahl besonders oft genannte Personen waren,
deren Namen eben alle Welt im Munde führte, so dass es genügte P P P
M E S zu schreiben, um die Vorübergehenden an P. Paquius Proculus und
M. Epidius Sabinus zu erinnern. Hiermit dürfte über die Eigenthüm-
ljchkeiten dieser Wahlempfehlungen, ohne natürlich den reichen Stoff zu
k) Bull. Nap. n. s. I, p. 151, Note 27, vgl. Bull. d. Inst. 1865, p. 183 sq.
H) Schon seit längerer Zeit bekannt war die Inschrift (791): M Epidium Sabinwn
ex sententia Suedi Clementis d. i. d. o. die beiden neuerlich gefundenen lauten ( 768):
M Epidizam Saöinum d. i. die (0 v. f. dig. est. kleiner) [l defensorem. coloniae. ex. sententia.
Suedi. ClemeHfi-S- Scmcti iudicis [i consensu. ordinis. obmerita (so) (1 eius. et. probitatevn. dignum
reipublicae- fadat ll Sabinus. dissignator. cum. plausu. facit. Und (1059): M Epidiunz l] Sa-
binmn l) II. wir. iur. die. o. v. f. digmnn. iuvenem I) Suedius. Clemens. sanctissimus (l iudexfacit.
vicinis. rogantibus. Vgl. noch Bull. d. Inst. 1865, p. 184 und C. I. L. a. a. O. p. 11.
Henzen, Archaeolog. Zeitung v. 1846, S. 295. C. I. L. a. a. O. p. 10.
aß") Vgl. Bull. Nap. n. s. I, p. 6 sq.