Dipinti
Wahlempfehlungen.
Gewerbe und Zünfte in Pompeji.
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derjenigen gelenkt werden sollte, welche eben ihn in einer dieser obrigkeit-
lichen Stellungen zu sehn wünschten. Denn keineswegs sind es die in den
Wahlcomitien stimmberechtigten Bürger selbst, oder nur sie, von denen diese
Wahlempfehlungen ausgegangen sind, im Gegentheil finden wir unter denen,
welche sie angeschrieben haben oder haben anschreiben lassen, außer nicht
wenigen, welche sich Clienten der Empfohlenen nennen, was an sich wohl
nichts beweisen würde, Weiber, Kinder und Sclaven oder Freigelassene, kurz
Leute, welche mit den Wahlabstimmungen gewiss nichts zu thun und selbst
keine Stimmen abzugeben hattenä").
Die gewöhnliche, einfache aber vollständige Form dieser Wahlempfeh-
lungen ist diese: sie enthält 1. den Namen des Empfohlenen, 2. das Amt, zu
dem er empfohlen wird, und 3. den Namen dessen oder deren, von denen die
Empfehlung ausgeht, mit der Formel: Orat Vos Faciatis (nbittet Euch, dass
Ihr macht, wählte), welche gewöhnlich nur mit den Anfangsbuchstaben O V F
und zwar mit diesen in einer Sigle (zusammengezogen) geschrieben ist, und
deren richtige Auflösung und Erklärung sich erst in neuerer Zeit durch die
Auffindung einiger ganz ausgeschriebenen Beispiele hat feststellen lassenH).
Früher wurde sie stark missverstanden, indem man die Buchstaben O V F
ergänzte: Omt Vt Faveat (nbittet, dass er gewogen seia) und darin die An-
rufung des Patrons durch einen Clienten, eines Reichen und Angesehenen
durch Arme und Hilfsbedürftige zu erkennen meinte, woraus man sodann weiter
folgerte, diese Anrufungen möchten wohl an den Häusern der angerufenen
Patrone gestanden haben. Dieser falschen Ansicht verdanken, wie schon
früher im Vorbeigehn erinnert worden ist (S. 269), die Häuser des Modestus,
des Pansa, des Sallustius, des Pomponius, des Iulius Polybius u. a. m. ihre
populären, aber ohne Frage ihnen nicht zukommenden Namen. Eine ganz
normale, einfache Wahlempfehlung würde dem Gesagten nach z. B. folgender-
maßen abgefasst sein: M. Holconium Priscum duumvirum iuri dicundo orat vos
faciatis Philzppus. Aber diese Formel ist keineswegs die alleinige oder auch
nur überwiegend häufige, sie wird im Gegentheil sehr vielfach abgeändert und
erweitert WM). Unter den Abänderungen ist die geringfiigigste, wenn statt
omt das gleichgeltende rogat oder petit gesetzt wird, oder wenn statt der Bitte :
omt vosfaciatis die einfache Aufforderung: facite steht, wobei nicht selten der
Name des Auffordernden weggelassen wird, auf den es ja in der That weniger
ankam, als auf denjenigen des Empfohlenen, auf welchen die öffentliche Auf-
merksamkeit gelenkt werden sollte. Setzt der Empfehlende seinen Namen
hinzu, so geschieht das wohl meistens, weil er glaubt, damit seiner Empfeh-
lung irgendwelchen Nachdruck zu geben. Dies wird namentlich gelten, wenn
eine geschlossene Mehrzahl von Personen, eine Zunft oder eine Bruderschaft
die Empfehlung ausspricht.
Solchen Inschriften verdanken wir zugleich ein kleines Verzeichniss von
Gewerben und Gewerken, Zünften und Collegien (Bruderschaften) in Pompeji,
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