Viertes Capitel.
früheren Jahrhunderten eben ganz vergessen war, dass ferner weder die Zeit
der rohen Longobardenherrschaft, noch die glückliche, mit ihrer Gegenwart
allein beschäftigte Zeit der Herrschaft der schwäbischen Kaiser Interessen
antiquarischer Forschung geneigt sein konnte, so bleibt es immerhin auffallend
genug, dass man in den späteren Jahrhunderten, in denen mancher zufällige
Fund gemacht wurde, nicht zu einer weitern Nachforschung sich anschickte,
zumal da seit dem Anfange des 16. Jahrhunderts Pompejis Name in der Lit-
teratur wieder auftaucht, und man im 17. auf Karten die Orte der verschüt-
teten Städte freilich unrichtig ansetzte13). Am unbegreiflichsten aber ist es,
dass die Entdeckungen des Architekten Domenico Fontana so ganz ohne
Folgen blieben. Dieser baute nämlich in den Jahren 1594--1600 einen unter-
irdischen Canal, um das Wasser des Sarno nach Torre dell" Annunziata zu
schaffen, und zwar führt dieser noch heute fließende Canal mitten durch die
Stadt Pompeji in der auf dem großen Plane durch punktirte Linien angege-
benen Richtung. Fontana stieß auf Mauerwerk, ja zwei Inschriften (I. R. N.
2253. 2300; C. I. L. X, 928. 952) wurden zu Tage gefördert, deren erstere
den Namen der in Pompeji verehrten Venus fisica enthält, aber dennoch ließ
man diesen seltsamen Umstand ohne Beachtung. Auch der bald nachher
erfolgte Fund zweier weiteren Inschriften, darunter einer großen und interes-
santen Grabschrift zweier Cerespriesterinnen, eines magister pagi Augusti
felicis suburbani, eines Duumvirn und Quinquennalen und eines Deculionen
von Pompeji (decurio Pompeis), gab keinen Anstoß zu weiteren Nachforschun-
gen. Fernere Spuren von Bauwerken wurden, wiederum nebst zwei Inschriften,
die abermals Pompejis Namen enthielten, 1689 entdeckt, aber, indem man den
Namen auf eine Villa des Pompejus bezog 14), ebenfalls nicht weiter verfolgt.
Endlich im Jahre 17 48 unter der Herrschaft Karls von Bourbon (später Karl III
von Spanien) stießen Bauern bei der Bearbeitung eines WVeinbergs nordöstlich
auf altes Gemäuer und, weitergrabend, auf eine Anzahl werthvoller Gegen-
stände, welche die durch die Auffindung des herculanischen Theaters erregte
Aufmerksamkeit auf diese Entdeckungen lenkten.
Man sollte nun glauben, dass die Ausgrabungen, welche gleich im Anfang
mancherlei Ausbeute lieferten, mit großem Eifer betrieben worden seien, allein,
obgleich der König selbst sich mehrfach bei denselben als Augenzeuge bethei-
ligte, war dies doch nicht der Fall. Vielmehr ging die Ausgrabung mit der
größten Langsamkeit und Nachlässigkeit vor sich, wurde gelegentlichJahre lang
(17 51 bis November 1754!) ganz aufgegeben, dann mit 4 Arbeitern unter einem
Corporal fortgesetzt (1756), und kam erst gegen die 60er Jahre und in diesen
einigermaßen in Zug. Dazu kommt, dass Weder der Plan der Ausgrabungen
ein Wohl durchdachter, noch die Verfahrungsart eine zu billigende, vielmehr
eine Art von Raubbau war, der sehr Vieles zerstörte und unheilbar verdarb
und beinahe wieder so viel verschüttete, wie man ausgegraben hatte 15). Denn
es wurde sprungweise bald hier bald dort gegraben, und zwar namentlich da
wo man Kostbarkeiten, Geld und Geldeswerth zu finden hoffte; von solchen
Funden ist in den Tagebüchern der ersten Jahrzehnte viel die Rede, auch
etwa noch von Statuen und besonders merkwürdigen Gemälden; die antiken