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Viertes Capitel.
urkunde abgefasst wurde. Bei Privatgräbern dagegen wurde die Grabschrift
außen, der Straße zugewendet angebracht, wie man dies in Pompeji an einer
Fülle von Beispielen sehn kann; Wenn nun schließlich noch bemerkt wird,
dass die Grabmäler in der Regel mit einer das Areal bezeichnenden Mauer
eingehegt waren, so dürfte Alles vorausbemerkt sein, was zum Verständniss
der folgenden Einzelbetrachtung und zur Vermeidung von Wliederholungen
nöthig erscheint; vieles Einzelne wird man am besten den Monumenten gegen-
über kennen lernen.
Der wichtigste und am vollständigsten bekannte Begräbnissplatz in Pom-
peji ist die s. g. Gräberstraße vor dem Hereulaner Thor, es ist aber in mehr
als einer Beziehung werth hervorgehoben zu werden, dass man auch vor an-
deren Thoren der Stadt Gräber gefunden hat, so vor dem von Nola, vor dem
Seethor174) und angeblich auch vor dem Stabianer Thore 175) Doch Verdienen
von diesen nur die Gräber vor dem Nolaner Thor eine kurze Erwähnung.
Offenbar befand sich hier ein Begrähnissplatz armer Leute, denen es nicht
möglich war, eine eigene Grabstätte zu erwerben. Ihnen gestattete man, ihre
Todten am Fuße der Stadtmauer, im städtischen Boden (im Pomerium) zu
begraben. Den Ort bezeichneten sie theils dadurch, dass sie den Namen des
Bestatteten in die Steine der Stadtmauern eingruben, theils durch Aufstellung
der weiterhin zu erwähnenden kleinen Cippen in Hermenform; ein solcher
Cippus, sowie Aschen- und Knochenreste wurden in der Nähe der erwähnten
Inschriften gefunden 176) Wenden wir uns jetzt zur Betrachtung der Gräber
vor dem Herculaner Thor.
Schon lange bevor in römischer Zeit die stattlichen Monumente zu beiden
Seiten der Straße entstanden, begruben hier in viel anspruchsloserer Weise
die Osker ihre Todten. Da wo sich kurz vor der s. g. Villa des Diomedes
rechts für den von der Stadt her Kommenden eine Straße abzweigt, sind
rechts an dieser Straße neuerdings einige ihrer Gräber, namentlich von Leuten
geringen Standes, aufgedeckt worden: zwei derselben sind auf unserm Plan
angegeben. Dieselben bestehen aus sargartigen Kasten aus Kalkstein, und
zwar zum Theil aus Quadern, zum Theil aus kleineren Steinen, und waren mit"
Erde bedeckt. In ihnen fand man die Gerippe der unverbrannten Leichen
(während die Gräber der römischen Zeit durchweg zur Beizetzung der Asche
bestimmt sind) und viel kleines bemaltes Thongeschirr nolanischer Fabrik,
während im übrigen bemalte Vasen in Pompeji nicht gefunden werden; ferner
2 Kupfermünzen mit oskischer Aufschrift, von denen man vermuthet, dass sie
in Nola geprägt sind. Für eine genaue Zeitbestimmung fehlt es an Anhalts-
punkten; vermuthlieh aber gehören diese Gräber in's zweite oder dritte Jahr-
lltlndert v. Chr. In der sie bedeckenden Erde haben dann in der Kaiserzeit
arme Leute die Asche ihrer Todten beigesetzt: man fand daselbst Thongefäße
mit verbrannten Knochen und Münzen der genannten Periode. Ob diese dicht
gereihten einfachen Gräber auch über der Erde einzeln kenntlich waren,
wissen wir nicht; wahrscheinlich war es nicht der Fall; wenigstens hat man
keine zu ihnen gehörigen Cippen gefunden 177)
Eigentliche Grabmonumente entstanden hier erst in römischer Zeit, und
zwar, wie es scheint, von den ersten Zeiten der Colonie an. Ein Blick auf