Volltext: Pompeji in seinen Gebäuden, Alterthümern und Kunstwerken

Zweites Capitel. 
Pompeji hieß jetzt Oolonia Veneria Cornelia Pompeianorum, nach dem 
Namen des Dictators und der von ihm vorzugsweise verehrten Göttin; wie 
ganz Italien erhielt es das römische Bürgerrecht und ward zum Behuf der 
hauptstädtischen Abstimmungen der Tribus Menenia zugetheilt. Römische 
Amtssprache und römisches Recht wurden eingeführt, auch bei öffentlichen 
Bauten von jetzt an römisches Maß zu Grunde gelegt. Die Verfassung war 
eine der römischen nachgebildete Municipalverfassung. Dem römischen Senat 
entsprach die Versammlung der Decurionen, deren Normalzahl vermuthlich 
auch hier, Wie in der Regel, hundert war, und welche sich hauptsächlich durch 
die Aufnahme der abtretenden Beamten ergänzte. Den römischen Consuln 
entsprachen als höchste Beamte die nrechtsprechenden Zweimännem (duum- 
viri iuri dicundo); ihre Namen dienten, wie die der Consuln, zur Bezeich- 
nung des Jahres in municipalen Documenten. Ihnen stand, wie schon ihr 
Name besagt, die Gerichtsbarkeit zu, mit der Maßgabe jedoch, dass sowohl 
Civilsachen, deren Object eine gewisse Werthsumme überstieg, als auch 
schwerere Criminalfalle den römischen Behörden vorbehalten waren. Außer- 
dem hatten sie den Vorsitz im Decurionensenat und in der Volksversamm- 
lung; die in letzterer gewählten Beamten wurden von ihnen ernannt und 
proclamirt.  Dem in Rom nur in jedem fünften Jahr gewählten Censor ent- 
sprach keine besondere Behörde, sondern die Geschäfte desselben wurden von 
Rechtsduumvirn besorgt, welche in dem betreffenden Jahr, also im gewöhn- 
lichen Lauf der Dinge in jedem fünften Jahr, den Titel fünfjähriger Duumvirn 
(duumviri guinguennales) führten. Ihnen lag die Revision der Decurionenliste 
(allmm decurionum) 0b, in welche sie die abgetretenen Beamten eintrugen, und 
aus der sie diejenigen strichen, welche wegen eines Criminalverbrechens ver- 
urtheilt oder wegen sonstiger Bescholtenheit nicht mehr zum Sitz in der Ver- 
sammlung berechtigt waren. Auch die Bürgerliste wurde von ihnen geführt. 
Ferner wurden die wichtigsten Finanzgeschäfte von den Quinquennalen be- 
sorgt: sie hatten die öffentlichen Bauten zu vergeben und die städtischen 
Grundstücke jedesmal für die fünfjährige Etatsperiode zu verpachten. In 
letzterer Beziehung erfahren wir durch die im Jahre 1875 gefundenen Quit- 
tungstafeln des pompejanischen Bankiers L. Caecilius Jucundus, dass Pompeji 
u. A. Weidegründe (pascua) und eine Tuchwalkerei (fullonica) besaß, welche 
beide eine Zeit lang an den genannten Bankier verpachtet waren; die Quit- 
tungen über seine jährlichen Zahlungen sind ausgestellt von einem Sklaven 
der Gemeinde (servus coloniae Veneriae Oomeliae Pompeianomm), unter den 
Zeugen, welche ihre Siegel darauf gesetzt haben, erscheinen die Duumvirn des 
laufenden Jahres, entweder beide oder einer von ihnen. 
Die zweite Behörde der Colonie waren die beiden Aedilen, welche bis- 
weilen auch mit den Rechtsduumvim zusammen als nViermännera (guattuorviri) 
bezeichnet werden und den curulischen Aedilen Roms entsprachen. Ihnen lag 
die Sorge für die öffentlichen Gebäude und Wege ob, ferner die Sorge für die 
Getreidezufuhr (cum anmmae) und die Marktpolizei, Ilamentligh die Controle 
der im Marktverkehr angewandten Maße und Gewichte. 
 Quaestoren, welche wir in anderen Municipien und Colonien finden, gab 
es in Pompeji wenigstens in der Kaiserzeit nicht. Der Quaestor Vibius Popi-
	        
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