Erstes Capitel.
der alten Küste gefunden haben; die Entfernung zwischen der alten und der
neuen Küste istdami hier annähernd dieselbe wie vor der Porta marina. Es mag
noch bemerkt werden, daß das Ufer nicht durch die Verschüttungsmassen des
Jahres 79 vorgerückt wurde, welche wie gesagt fortgespült werden mussten,
sondern im Lauf der Jahrhunderte durch die erdigen Theile, welche der früher
in mehren, oft sich verändernden Armen die Ebene durchströmende Fluss
mit sich führte.
Wie die Küstenlinie so ist auch das Flussbett des Samus nicht mehr das
alte. Seinen jetzigen Lauf erhielt er erst durch die in diesem Jahrhundert
vorgenommene Regulirung. Das alte Flussbett kennen wir bis jetzt nicht, doch
scheint es, dass eine in den Jahren 1880 und 1881 stattgefundene Entdeckung
einen Schluss auf die ungefähre Lage desselben gestattet. In einiger Entfer-
nung von dem südlichsten Thor Pompejis, dem Stabianer Thor, eben jenseits
des aus dem Sarno abgeleiteten Canals (Canale di Bottaro) stieß man auf einen
Complex von Gebäuden und fand daselbst eine große Anzahl von mensch-
lichen Gerippen nebst auffallend vielen werthvollen goldenen Schmucksachen.
Combiniren wir nun damit die Beobachtung, dass der Verkehr Pompejis mit
seinem Hafen offenbar hauptsächlich eben durch das Stabianer Thor stattfand,
da die an die Porta marina sich anschließende Straße für Wagen gesperrt, die
Stabianer Straße aber augenscheinlich stark befahren war, so ergiebt es sich
uns als sehr wahrscheinlich, dass jene Skelette und jene Goldsachen von Pom-
pejanern herrühren, welche am Tage der Katastrophe mit ihren Schätzen ge-
flohen waren um sich einzuschiffen, was ihnen, vermuthlich wegen des zu
großen Zudranges, nicht gelang. Wir werden weiter annehmen dürfen, dass
jener Gebäudecomplex den Landungsplatz bezeichnet und dicht an dem alten
Flussbett, aber noch diesseits desselben lag. Ist dies richtig, so mochte der
Fluss um etwa 400 Meter näher an der Stadt {ließen als jetzt 3)
Wenn also Pompeji weder unmittelbar am Meer noch unmittelbar am
Fluss lag, so hatte dies seinen Grund darin, dass bei der Wahl des Ortes andere
Umstände maßgebend waren. Es musste nämlich nicht nur auf bequeme Lage
für den Handel, sondern auch auf natürliche Festigkeit und Vertheidigungs-
fahigkeit gesehen werden. Deshalb gründete man Pompeji auf einem Hügel,
d. h. auf dem untersten Ende eines uralten Lavastrornes, der lange vor
Menschengedenken sich vom Vesuv in südwestlicher Richtung dem Meere zu-
wälzte, ohne dasselbe zu erreichen. Er erstarrte in seinem Lauf, indem er
sich gegen den Endpunkt desselben aufstaute und so die zur Gründung einer
antiken Stadt wünschenswerthe Erhöhung darbot. In Folge seiner Lage auf
einem Hügel ist Pompeji bei allen späteren Ausbrüchen von Lavaströmen
verschont geblieben: ein für uns höchst wichtiger Umstand, denn andern-
falls würde die Wiederaufdeckung mit den allergrößten Schwierigkeiten ver-
bunden sein. In neuester Zeit ist der Stadthügel genau triangulirt und
nivellirt worden (Fiorelli, Gli sczwi 1861-7 3 Taf. XIII), mit dem Ergebniss,
dass sein höchster Punkt, ganz nahe bei dem Herculaner Thor. 42,53 M., der
niedrigste innerhalb des damals ausgegrabenen Theils, östlich neben dem klei-
nen Theater, 15,08 (das Stabianer Thor liegt noch tiefer), die Area des Forums
33,60 M. und die Arena des Amphitheaters 12,80 über der mittlern Höhe des