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Viertes Oapitel.
liegenden Hälften besteht, die sich in dem YVesentliehen ihrer Anlage wieder-
holen, die aber freilich im griechischen und im römischen Hause eine ver-
schiedene, wenngleich im letzten Grunde verwandte Bestimmung haben. Im
griechischen Hause gehört die vordere Hälfte dem Manne und dem Verkehr
mit der Außenwelt, die hintere Hälfte der Frau und der Wirthschaft des Hauses;
auch im römischen Hause ist der vordere und ursprünglich einzige Theil der
Öffentlichkeit, der hintere dem Familienleben bestimmt.
Auch die ältesten Häuser Pompejis zeigen uns nicht den Typus des ur-
sprünglichen römischen, richtiger altitalischen Hauses, des Bauernhauses, aus
welchem, dem natürlichen Gange der Entwickelung gemäß, das städtische
Wohnhaus hervorgegangen ist. Dasselbe ist uns aus einer ganz andern Quelle
bekannt geworden: durch Aschenkisten aus verschiedenen uralten, in Latium
und Etrurien gefundenen Begräbnissplätzen10"). Jene alte Bevölkerung gab
ihren Aschenkisten die Form ihrer Häuser, und so lernen wir aus denselben,
dass diese Häuser über niedrigen Wänden ein hohes Strohdach, über der an
der Schmalseite liegenden Thiir eine fensterartige Öffnung hatten. Statt
dieser alten Bauweise ist aber schon in früher, nicht näher bestimmbarer
Zeit, wahrscheinlich durch fremden, vielleicht griechischen Einfluss, eine
andere aufgekommen, deren älteste uns bekannte Form durch die ältesten
pompejanischen Häuser (Kalksteinhäuser) vertreten wird. Es mag ferner
hier erwähnt werden, dass im alten Rom, zur Zeit als die Zwölftafelgesetze
gegeben wurden, die Häuser, alle oder doch großentheils, durch einen Zwi-
schenraum (ambitus) von 21]? Fuß getrennt waren, während in Pompeji keine
Spur einer ältern Bauart als der mit gemeinsamen Zwischenwänden nachweisbar
ist 110). Aus dieser ältesten pompejanischen Hausform entwickelte sich dann,
etwa im 2. Jahrhundert v. Chr., durch Hinzufiigung weiterer, dem spätern
griechischen Hausbau entnommener Bestandtheile, diejenige Bauweise, welche
uns einerseits aus den stattlichen pompejanischen
TIMIW": Häusern der Tuffperiode, andererseits aus der Be-
MMW Schreibung Vitruvs (V I, 3 ff.) bekannt ist.
Das italische städtische Wohnhaus bildete in der
. 1,2mm" l Zeit der pompejanischen Kalksteinhäuser, d. h. etwa
bis in das 3. Jahrhundert v. ClIL, ein Rechteck, dessen
41a w-rw-uzdzg?!) 41.. schmälere Seite als Front der Straße zugekehrt war.
I, I Nach hinten stößt ein Garten (hortus) an dasselbe,
g A "I g während die Mitte seiner Wohnräume der Innenhof,
i i . das Atrium oder Cavaedium (cavum aedium) einnimmt,
J l 3" - L dessen nach Innen geneigtes Dach in der Mitte eine
iiwAML_ rechtwinklige Öffnung, das Compluvium (s. Näheres
Fig. 134. Ursprünglicher unten) hat. Diesem entspricht im Fußboden das
man des föm Hauses- Impluvium, in welchem sich das Regenwasser sam-
melte, um aus ihm in eine darunter befindliche Cisterne
geleitet zu werden. Im Atrium war der Sammelplatz der Familie, hier, am
hintern Rande des Impluviums, stand der Heerd, dessen Rauch durch die
Dachöffnung abzog, hier der Geldkasten, hier verrichtete die Frau ihre häus-
lichen Geschäfte des Spinnens und WVebens, während die zwölf das "Atrium