Die Privatgebäude.
Die Wohnhäuser.
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richtig. Es ist wahr, dass der Alte nicht so thurmartig baute wie wir in eini-
gen unserer größten Städte mit unseren sechs bis sieben Stockwerken und
himmelanstrebenden Dächern; es ist richtig, dass die ältesten Häuser in Rom,
die nur 11h füßige Mauern haben durften, die Last hoher Geschosse nicht zu
tragen vermochten; aber es ist auch bekannt, dass Augustus verbot, übe? 70 gug
römisch z 66 Fuß unseres Maßes hoch zu bauen, was Hadrian H11 50 11
(I etwa 56 F.) herabsetzte, eine Höhe, die sich mit der gewöhnlichen moder-
ner Hauser messen kann, welche ja selten die Höhe von 70 Fuß überäteigen.
Einen durchschlagenden Gegensatz können wir also in den Maßverhä tnissen
antiker und moderner Häuser nicht finden. In ähnlicher Weise könnte man
eine ganze Reihe von Unterschieden anführen, welche alle ihr Richtiges
haben, ohne jedoch den bestimmenden Gesammtcharakter zu treffen. Einen
solchen durchschlagenden Gegensatz und bestimmenden Gesammtcharakter,
und zwar den mit dem innersten Wesen und Bedürfniss des Lebens zusam-
menhangenden, finden wir in einem Umstande der Anlage, welcher diese im
Ganzen beherrscht und bedingt.
Wir haben für den antikän Tempel im Gegensatze gegen unsere Kirchen,
welche ihrem Wesen nach durchaus Innenbauten sind, den Charakter des
Außenbaues in Anspruch genommen; der entgegengesetzte Charakter ist der
des antiken Hauses: dies ist von außen im Princip so gut wie völlig abge-
schlossen und ganz nach innen gewendet. Hierin liegt der charakteristische
Unterschied zwischen ihm und unserem, auch dem südlichen, modernen
Hause, welches sich nach außen in vielen und breiten Fenstern öffnet und
in seiner ganzen Anlage eine entschiedene Beziehung zur Straße zeigt. Für
das antike Haus in seiner wesentlichen Anlage aber ist die Straße nichts als
der Weg, der am Eingang vorüberfiihrt; weder in der Öffnung der Fenster,
deren Vorhandensein als bloße Lichtöiifnungen hiemit natürlich nicht gelaugnet
werden soll, noch in der Ausstattung der Facade ist auf die Straße Rücksicht
genommen; das Erdgeschoss, der ursprüngliche Theil des Hauses, bildet nach
außen wesentlich nur vier abschließende, vom Eingang durchbrochene Umfas-
sungsmauern; die ganze Anlage wendet sich nach innen und schließt sich um
den innern Hof, auf den, oder in späterer Entwickelung auf deren zwei hinter
einander liegende, die Zimmer ausgehn und von dem sie ihr Licht empfangen.
Die Entwickelung unserer modernen Bauweise wurde ermöglicht durch den
Gebrauch der Fensterscheiben aus Glas, welche zwar dem spätem Alterthum
nicht fremd waren 'i1nd auch in Pompeji vorkommen, deren Verwendung aber
noch nicht so allgemein geworden war, dass sie hätte auf die Gestaltung des
Hausbaues Einfluss gewinnen können. Nur durch die Glasscheiben wurde es
möglich, an die Stelle des Licht und Luft vermittelnden Binnenhofes die
Faeade mit ihren Fensterreihen zu setzen und so den Innenbau in gewissem
Sinne in einen Außenbau zu verwandeln 108)
Obige Eigenthümlichkeit ist bei verschiedener Benennung, inodiiicirten
Zwecken und danach veränderter baulicher Beschaffenheit der Theile zugleich
das Gemeinsame des griechischen und des römischen Hauses. Eine weitere
Ahnlichkeit findet sich darin, dass das normale, wenn auch nicht das ursprüng-
liche römische wie das normale griechische Haus aus zwei hinter einander