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Drittes Capitel.
Aus den Wänden springen über einem niedrigen weißen Marmorsockel flache,
gelb bemalte und cannellirte Pilaster vor, welche die roth bemalten Wand-
fiächen einfassen und einen Stuccofries mit einfachen Ornamenten tragen.
In dem Stichbogen über dem Labrum ist ein reicheres Ornament von Stucco
angebracht, und hier ist das Fenster durchgebrochen, welches dem Saale
von dem Vorplatz 6 aus Licht zufiihrt. Der Fußboden ist wie in dem vorigen
Saale von weißem Mosaik gebildet und der Alveus sowie die Stufe vor dem-
selben mit vollkommen erhaltenen und ganz wie neu erscheinenden weißen
Marmorplatten bekleidet. Eine große unverschlossene halbkreisförmige Öffnung
in der linken Schmalseite bei u führt zu einer sich 2 M. in die Wand hinein
erstreckenden Höhlung, deren Boden etwas tiefer liegt als der der Wanne.
Nur eine dünne, wie es scheint metallene Platte trennt diese Höhlung von der
unter ihr hindurchgehenden Leitung für die heiße Luft, so dass das in der
WVanne befindliche Wasser, indem es natürlich auch die Höhlung füllte, hier
stets neue Wärme erhielt. Die Zuüussröhre ist nicht erhalten: sie war ohne
Zweifel in der rechten Wand oberhalb der Wanne angebracht; eine kupferne
Röhre, welche in der rechten vordern Ecke, am obern Rande, in die Wanne
einmiindet, ist nach ihrer Form und ihrem Orte eher für eine Abflussröhre zu
halten. WVollte man die ganze Wanne ausleeren, so öffnete man eine in der
linken vordern Ecke am Boden derselben angebrachte, für gewöhnlich wohl
mit einem Stein verschlossene Öffnung, worauf das YVasser auf den Fußboden
strömte und zur Reinigung desselben benutzt werden konnte.
Bei Besprechung der einzelnen Räumlichkeiten haben wir einen Punkt
bei Seite gelassen, weil er sich besser für alle gemeinsam erledigen lässt,
nämlich die Frage nach der Entstehungszeit und allmählichen Vervollkomm-
nung der Heizeinrichtungen. Die hohlen Fußböden sind erst zu Anfang des
letzten Jahrhunderts v. Chr. von C. Sergius Orata erfunden worden: es ist
also nicht wahrscheinlich, dass sie in dieser, aus vorrömischer Zeit stammenden
Anlage von Anfang an vorhanden waren, und in der That ergiebt eine genaue
Untersuchung der Suspensuren des Männercaldariums, welche älter sind, als
die des Tepidariums, dass sie auch hier nicht den Anfängen des Baues an-
gehören, sondern gewisse nachträgliche Veränderungen ihnen zeitlich voraus-
gegangen sind. Vor Anlage des Heizapparats waren die Baderäume einfache
Säle, welche durch Kohlenbecken geheizt wurden, während der in der Mitte
zwischen beiden Abtheilungen liegende Ofen nur das heiße Wasser lieferte.
An den Wänden der Tepidarien und Caldarien waren zwei Reihen von Nischen,
die untere von geringer Höhe, angebracht; dieselben sind besonders deutlich
noch in der Männerabtheilung zu erkennen. Mit dem Bau der hohlen Fuß-
böden in den Caldarien beginnt nun eine ganze Reihe von Veränderungen
dieser Räume, welche uns zeigen, dass die Ansprüche, welche man in Beziehung
auf Wärme an die Baderäume machte, stets im Wachsen begriffen waren, dass
man feIneT auch immer mehr Gewicht darauf legte, dieselben durch größere
Fenster zu erleuchten, und dass man endlich auch immer prachtvollere Deco-
rationen verlangte. Wir können diese Veränderungen, Dank dem Zustande
der Zerstörung, welcher uns einen Einblick nicht nur unter die suspendirten
Fußböden und hinter die Hohlwände, sondern auch in das Innere der Mauern