Volltext: Pompeji in seinen Gebäuden, Alterthümern und Kunstwerken

Die öHentIiehen Gebäude. 
Das große Theater. 
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die Bögen aus ziegelförmigen Tufistiicken hergestellt waren, eine Bauart, 
welche für die Zeit des Augustus sehr gut passt, nicht wohl aber jenen alten 
Theilen gleichzeitig sein kann. 
Und auf dieselbe Zeit passt auch ganz vorzüglich die Bauart der Tribuna- 
lien: Netzwerk aus Tuff, mit Ecken theils aus ziegelförmigen Stücken des- 
selben Steins, theils aus Ziegeln, mit ziemlich dicken Mörtelschichten. Das 
Netzwerk War in Rom nach dem Zeugniss des Vitruv zu seiner Zeit, der Zeit 
des Augustus eben üblich geworden, und ganz ähnliches Mauerwerk wie dieses 
hier können wir auch sonst in Pompeji mit Hilfe der YVandmalereien ungefähr 
auf dieselbe Zeit zurückführen. 
Was endlich das tlzeatrum, die Sitzstufen betrifft, so genügt es zu bemer- 
ken, dass sie aus weißem Marmor bestehen. Sie können also keinenfalls der 
vorrömischen Zeit angehören, welche vom Marmor den allerspärlichsten Ge- 
brauch machte, und auch für Säulen und Gebälke sich begnügte, den Tuff mit 
Stuck zu bekleiden; unzweifelhaft bestanden die Stufen ursprünglich aus Tuff, 
wie im kleinen Theater und im Amphitheater 73). 
S0 ergiebt sich uns also aus der Vergleichung der Holconierinschrift mit 
dem Thatbestande, dass ein vermuthlich aus vorrömischer Zeit stammendes 
Theater kurz vor Christi Geburt umgebaut und den römischen Gewohnheiten 
angepasst wurde. Das alte Theater gehörte der spätoskischen Bliithezeit Pom- 
pejis, der Tuffperiode an, und zwar wird es durch die Ähnlichkeit mit der 
Basilika und dem Nolaner Thor einer Gruppe von Gebäuden zugewiesen, 
welche namentlich gegen das Ende der genannten Periode entstanden ist. 
Also nicht mit römischen Dramen ist diese Bühne eröffnet worden, son- 
dern es ist hier wahrscheinlich zuerst in oskischer Sprache gespielt worden. 
XVir wissen, dass die Osker Carnpaniens eine einheimische Posse, die Stamm- 
mutter der Pulcinellakomödie, besaßen, die Atellana, in der die stehenden 
Masken des Pappus, Dossennus, Bucco und Maccus ihr WVesen trieben. Ob 
sie auch eine eigene Tragoedie hatten, ob sie, wie die Römer, sich die griechische 
'I'ragoedie und Komoedie durch freie Übertragungen zu eigen gemacht hatten, 
davon Wissen wir nichts ; war es der Fall, so ist in dem gänzlichen Untergang 
der oskischen Cultur jede Spur davon verloren gegangen. Es zu leugnen liegt 
aber kein Grund vor: die Osker waren an geistiger Cultur den Römern Wahr- 
scheinlich überlegen und standen mit dem Griechenthum in unmittelbarerer 
Berührung. Auch das können wir nicht entscheiden, ob zur Zeit der Selbstän- 
digkeit die Kenntniss der griechischen Sprache so verbreitet war, dass grie- 
chische Dramen in der Ursprache hätten aufgeführt werden können. Nach der 
Besiedelung Pompejis durch die sullanischen Veteranen wird hier das römische 
Drama, daneben der Mimus und Pantomimus, geherrscht haben. 
Wir haben also hier weder ein einfach griechisches, noch ein römisches 
Theater vor uns, sondern ein unter griechischem Einfiuss entstandenes, in römi- 
scher Zeit umgebautes. In der That finden wir hier verschiedene Eigenthiim- 
liehkeiten des griechischen Theaters. So die weit mehr als einen Halbkreis 
umfassende Orchestra , welche vermuthlich ursprünglich noch größer war; 
denn wir werden annehmen dürfen, dass die vier untersten, breiten und niedri- 
gen Stufen erst in römischer Zeit an die Stelle von etwa drei gewöhnlichen
	        
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