Zweites Capitel.
keine für Angeln: es war hier also nur eine leichte, an den antepagmenta
hangende Gitterthür mit horizontalen Angeln. Diese Verschiedenheit der
beiden Thüren bestätigt unsere Auffassung des Platzes und seiner Propyläen;
der Platz selbst schien durch eine leichte, wohl meist geöffnete Gitterthür
hinlänglich geschützt; dagegen wa1' die große Thür links für Festziige reser-
virt und für gewöhnlich mit einer soliden Thür verschlossen.
Treten wir durch die Thüren ein, so befinden wir uns unter dem sich an
den beiden langen Schenkeln des Platzes hinziehenden Säulengange, Welcher
aus 100 dorischen Säulen bestand, von denen einige jetzt sammt dem leichten
Gebälk Wieder aufgerichtet sind. An der Seite des Theaters hat der Säulen-
gang 117,80 M. Länge, an dem andern Schenkel 65 M., so dass er, die kleine
Seite des Einganges von 16,60 M. eingerechnet, bei 5 M. Breite fast genau
200 M. Gesammtlänge hatte. Nach dem Abhang zu ist die Aussicht ganz frei
gelassen. Auf den längern Schenkel öffnen sich mehre Eingänge. Der erste
(a) führt in die ebenfalls der samnitischen Periode angehörende sogenannte
Curia isiaca, von deren Bedeutung unten gehandelt werden soll; durch den
Zweiten und dritten (b, c) gelangte man zu ebener Erde in den iiberwölbten
Umgang (crypta, 1 auf dem Plan des Theaters) und aus diesem auf die mitt-
leren, durch b außerdem über eine Treppe zu den von der (lrypta getragenen
oberen Sitzreihen des Theaters, und über eine von der genannten sich abzwei-
gende Treppe auf die oberste Platform desselben; der kleine vierte Eingang
(d) führt unmittelbar über eine gleich hinter der Thür beginnende Treppe
auf die obersten Sitzreihen. Von der Treppe bei d und der andern zweifel-
haften, jedenfalls nicht mehr erkennbaren bei e war schon die Rede.
Die zum Tempel gehörigen Monumente werden besser weiterhin mit
diesem zusammen besprochen. Parallel mit der Säulenhalle des längern
Schenkels zieht sich über den ganzen Platz eine niedrige Mauer von der
man ein Stück in Fig. 43 sieht und welche von einem vergittert gewesenen
Durchgange bei der Fagade des Tempels durchbrochen ist. Dieselbe, jetzt nur
in ihrem Kern erhalten, soll mit schwarzem Stucco überzogen gewesen sein,
in welchen in ziemlich weiten Zwischenräumen weiße Marmorstiicke incrustirt
waren. Wahrscheinlich ist diese niedrige Mauer ursprünglich eine Schranke
gewesen, welche den geweihten Boden des Platzes um den Tempel und seine
Altäre von dem Profanterrain längs der Säulenhalle abgrenzte, ohne zugleich
ihn abzuschließen und die Aussicht zu rauben, und gewiss ist, dass alle gehei-
ligten Gegenstände jenseits, westlich, von dieser Schranke liegen und dass die
Öffnung in derselben sich grade der Ecke des Tempels gegenüber befindet.
Dass diese Mauer zugleich, wie man gemeint hat, als eine Bank zum Sitzen
gedient haben mag, ist vielleicht möglich, nur ist sie gewisslich nicht zu diesem
Zwecke auf den freien Platz hingebaut, wo keinerlei Schutz gegen die Son-
nengluth ist oder war, und wo zu der Zeit, als der Tempel noch aufrecht stand,
nicht viel von der Aussicht auf die Gebirge und das Meer zu genießen gewesen
sein kann. Die damit zusammenhangende Ansicht, welche in den abgegrenzten
Stücken zugleich eine Art von Stadium, eine Bahn für gymnastische Übungen
erkennt, denen man auf der Bank sitzend zugeschaut hätte, lässt sich auch in
keiner Beziehung erweisen.