Volltext: Pompeji in seinen Gebäuden, Alterthümern und Kunstwerken

Zweites Capitel. 
auf das Forum mündete, wurde durch diese Bauten so verengt, dass sie nur noch 
als Fußweg benutzt werden konnte. Ihr Pflaster und westliches Trottoir ist 
zwischen der mittlern und westlichen Curie sichtbar; sie blieb durch eine 
hier angebrachte Thür zugänglich. 
In der letzten Zeit Pompejis, nach dem Erdbeben von 63 und wohl 
gleichzeitig mit dem Wiederaufbau der Curien, ward auch der nördliche Theil 
der Westseite umgestaltet durch einen zusammenhängenden Complex neuer 
Gebäude. Wir sahen oben, dass in oskischer Zeit an die nördliche Umfas- 
sungsmauer des Venustempels eine nach Norden geöffnete Säulenhalle ange- 
lehnt war, welche sich auf einen Platz öffnete, von dem wir nicht bestimmen 
konnten, wie er vom Forum getrennt war. Diese Säulenhalle wurde in römi- 
scher Zeit verbaut und in Räume unbekannter Bestimmung verwandelt; an 
dem Platz ward östlich eine Pfeilerporticus, westlich eine geräumige Verkaufs- 
halle angelegt. Zwischen diesem Platz nun und dem Forum errichtete man 
eine geräumige, mit einer Pfeilerstellung auf das Forum geöffnete Halle 
(XVII  welche durch zwei aus den Langseiten vorspringende Pilaster in 
zwei Abtheilungen zerlegt wird. Man hat in diesem Raum eine Gemäldegal- 
lerie (stoa poikile), oder einen Versammlungsort zu Unterhaltung und Gespräch 
{Zescke) erkennen wollen. Doch ist wohl die Annahme wahrscheinlicher, dass 
er als Kaufhalle dem Handelsverkehr, etwa dem Frucht- und Gemüsehandel, 
diente; so erklären sich auch am besten die zwei Abtheilungen, deren jede 
einem besondern Handelszweige zugewiesen sein mochte. YVir mögen also 
diesem Gebäude den Namen einer Fruchthalle beilegen. 
Zu derselben Gebäudegruppe gehört die nördlich anstoßende Anlage 
(XVIa), ein öffentlicher Abtritt, der hier am Forum am wenigsten entbehrt 
werden konnte, und der für den Anstand und Reinlichkeitssinn der alten 
Pompejaner ein rühmliches Zeugniss ablegt. Da die Thüren des schmalen 
Vor- und des weiten Hauptraumes nicht in einer Axe liegen, so konnten die 
Voriibergehenden in letztern nicht hineinsehen. Dieser ist an drei Seiten 
mit einem nach hinten unter der Mauer durch ausmündenden Canal versehen, 
durch welchen Wasser floss, und über welchem die steinernen Träger des über- 
deckenden Holzwerkes erhalten sind. Einer ähnlichen Anlage begegnen wir 
in den Stabianer Thermen, einer kleinern am großen Theater, während be- 
schränkte Einrichtungen zu derartigen Zwecken überall an den Straßen 
nicht selten und meist discreter eingerichtet sind, als in unseren modernen 
Städten. 
Immer noch in denselben Zusammenhang gehört das Gebäude (XVI), 
welches den nördlichen Abschluss dieser Seite des Forums bildet. Es besteht 
aus zwei Stockwerken. Das untere hat vom Forum aus einen sehr engen, aus 
gewaltigen, roh behauenen Lavablöcken gebildeten Eingang, welcher durch eine 
eisenbeschlagene Thür, deren Spuren noch kenntlich sind, geschlossen war. 
Durch ihn gelangt man in einen engen, gewölbten Raum, der von oben durch 
eine schmale Ritze erhellt wird, und aus diesem durch eine zweite Thür in 
einenähnlichen aber ganz dunkeln Raum. Das obere Stockwerk besteht aus 
zwei Räumen, welche weite Öffnungen, nach Art der Läden, auf die nördlich 
vorbeiführende Straße (Vico den" Soprastanti) haben; sie liegen aber so hoch
	        
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