Volltext: Kunst und Handwerk in Japan (Bd. 1)

Kunst 
und 
Handwerk 
Japan. 
Eine scharfe Trennung der Bekenner des Shintö und der Buddha- 
Lehre ist bis in die jüngste Zeit nirgend hervorgetreten. Wenngleich 
in den letzten Jahrhunderten der Hof des Mikado zu Kioto schon 
durch die mythische Abstammung des Kaisergeschlechtes wieder mehr 
der nationalen Ur-Religion zuneigte und im Gegensatze hierzu die in 
Yedo hofhaltenden Shögune den Buddhismus bevorzugten, sonderten 
sich die Anhänger der einen oder der anderen Lehre, von wenigen Aus- 
nahmen abgesehen, Weder nach Provinzen oder Oertlichkeiten, noch 
nach Berufsständen; ja, dem Einzelnen blieb es unbenommen, je nach 
seiner augenblicklichen Herzensneigung seinem religiösen Bedürfnifs 
vor den Kamis oder den Buddhas, in den Tempeln dieser oder jener 
ihrer zahlreichen priesterlichen Secten zu genügen. Wo in der japani- 
schen Geschichte Volksaufstände oder blutige Fehden mit religiösen 
Secten zusammenhangen, wird man als ihre eigentliche Ursache Weni- 
ger den Fanatismus von Sectirern, als das Streben reicher Klöster 
und Priesterschaften nach weltlicher Macht erkennen. Auch der 
Ausschlufs der buddhistischen Priesterschaft aus der Provinz Satsuma 
erklärt sich durch politische Vorgänge. 
Der Widerspruch, in welchen sich das Christenthum bald nach 
seinem ersten Auftreten in Japan mit dieser herkömmlichen Duldsam- 
keit der herrschenden Religionen setzte und die Gefahr, Welche die 
Shögune der Tokugawa-Dynastie daraus für das eben erst von ihnen 
nach langen Kämpfen in friedliche Ordnung gezwängte Land befürch- 
teten, waren entscheidend für die von ihnen ergriffenen grausamen 
Mafsregeln zur völligen Ausrottung des Christenthums in ihrem Be- 
reiche und für die folgende Abschliefsung Japans gegen christliche 
Bildung. Nachdem diese Gefahr beseitigt worden, herrschten Shintö 
und Buddha-Lehre wieder ein Viertel-Jahrtausend in friedlichem Durch- 
einander. Erst mit dem Sturz des Shögunats hat in unseren Tagen 
die siegreiche Regierung des Mikado. die alte Toleranz aufgegeben 
und versucht, die National-Religion des Shintö zur förmlichen Staats- 
Religion zu erheben, indem sie gleichzeitig mehrere buddhistische 
Secten aufhob und eine Anzahl von Buddha-Tempeln den Priestern 
des Shintö überwies. Ob ihr gelingen wird, damit dem Volke gegen 
den im Laufe der Jahrhunderte eingerissenen götzendienerischen Glauben 
des niederen Volkes einerseits, gegen das oberflächliche, durch die Lehren 
des Confucius vorbereitete Freidenkerthum der mit europäischer Bildung 
in Berührung gekommenen höheren Stände andererseits, inneren religiösen 
Halt zu geben, läfst sich in dem heutigen Gewoge altjapanischer und 
abendländischer Bildungselemente ebenso wenig absehen, Wie die Aus- 
sieht, Welche sich einem von Sectirerei geläuterten Christenthum in dem 
gährenden Boden des angeblich neuerweckten Shintö eröffnen würde.
	        
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