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Kunst und
Handwerk
Japan.
Der Maler, an den nun die Reihe kam. Wieder ein alter Herr,
War unschuldigen Humores voll und schien ein ebenso gewandter
Künstler wie Spafsmacher zu sein. Auch er setzt mit der Kohle
etliche Punkte auf das Papier, füllt einen Pinsel mit grüner Farbe
und malt hier und dorthin einige Päonienblätter jeder Pinselstrich
ein Blättchen. Mit einem anderen Pinsel bildet er eine rothe Päonien-
blüthe, Wobei er jedes Blumenblatt vor dem Auftrocknen der Farbe
durch geschickte Anwendung von ein wenig Wasser abschattet.
Nachdem er das Papier an seiner unteren Kante aufgerollt hat, was
auch die anderen Maler thaten, wenn sie auf dem oberen Theil ihres
Blattes malen wollten, malt er erst die Blumenblätter einer aufge-
platzten Knospe, dann mit dünner Tusche Blumen und Knospen einer
Magnolia, stellt darauf röthliche Blurnenblätter in Gruppen zusammen,
welche Mandelblüthen gleichen, weiter Büschel rother Massen, Welche
schliefslich wie die aufbrechenden Blätter rother Blumenknospen aus-
sehen. Nachdem so die Farbenmassen mit gebührlicher Rücksicht auf
die Gesetze der Komposition sorgsam vertheilt sind, werden die Stengel
gezogen und alle vereinzelten Theile mit staunenswerther Geschick-
lichkeit zusammengebracht. Dann werden die Kelche hinzugefügt, Ein-
zelheiten, wie die Adern einiger Blätter. nachgebessert, und einzelne
Flecken reiner Farbe, eine dunkle Stelle hier oder dort nachgetragen.
Dresser fügt hinzu, er zweifele, 0b irgend ein europäischer
Künstler in annähernd so kurzer Zeit eine so vortreffliche Skizze auf
das Papier werfen könne; er selbst wenigstens, obwohl ein geschulter
Zeichner, und als junger Mann ausschliefslich mit dem Studium des
Pflanzen- und Blumenzeichnens beschäftigt gewesen, bekenne seine
äufserste Unfähigkeit zu so raschem Schaffen einer Skizze, wie sie
jetzt vor ihm lag.
Nachdem noch eine junge Dame, Blurnenmalerin der Kaiserin,
einen Beweis ihrer Befähigung im Blumenmalen gegeben hatte, trat ein
junger Mann auf, welcher eine fliegende Ente ungefähr in derselben
Manier, wie der erste Künstler seine Hühner, mit geradezu staunens-
werther Geschicklichkeit auf das Papier zauberte. Er taucht einen
der breitesten flachen Pinsel in Wasser, drückt ihn mit den Fingern
wieder aus, und tunkt ihn in eine dünne Tuschlösung, indem er zu-
gleich der härenen Schneide eine halbmondförmige Krümmung gibt.
Nachdem er den ausgebauchten mittleren Theil dann rasch in dunkle
Tusche gestippt hat, läfst er das Pinselhaar sich wieder gerade
richten. Zuletzt sondert er von einer Seite der Schneide zwei oder
drei Haare ab und stippt sie gleichfalls in dunkele Tusche, trägt dabei
aber Sorge, dafs sie von dem übrigen Theil des Pinsels getrennt
bleiben. Mit einem einzigen Pinselstrich entwirft er nunmehr den Leib