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und
Kunst
Handwerk
Japan.
seiner besten Werke mag im Einzelnen Mängel ergeben, Welche ein in
europäischen Schulen ausgebildeter Kunstbeflissener leicht bemerken
und verbessern könnte, dem wahren Künstler aber werden sie etwas
bieten, was aufserhalb des Bereiches akademischer Philosophie liegt
ein Etwas. das der Wissenschaftlichen Analyse spottet und Zeugnifs
giebt, dafs der unvollkommene Mechanismus von der bewegenden
Kraft des Genius geleitet worden ist. Obgleich er einen Theil der
auserlesensten Formen der Natur sich hat entgehen lassen und bisweilen
wohlbedachter Abweichungen von der Wahrheit sich schuldig macht,
hat er mit wundersam zusammenfassendem Griff den G-eist und die
Bedeutung seines Vorwurfes als Ganzes erfafst; und wenn es Vieles
gibt, Was er von seinen europäischen Berufsgenossen lernen kann, so
hat er ganz gewifs seine Befähigung erwiesen, ihnen als Gegenleistung
einige denkwürdige Lehren zu ertheilen."
Mit diesen treffenden Worten eröffnet William "Anderson in
seinem soeben vollendeten, gleich schönen wie gründlichen Werke
.,The pictorial arts of Japan" seine Charakteristik der japanischen
Malerei. Er hält damit die gesunde Mitte zwischen Denjenigen, welche
die Malerwerke Japans gar nicht als Erzeugnisse einer Kunst in vollem
Sinne des Wortes anerkennen und Denjenigen, welche sich durch die
grofsen Reize dieser Kunst zu einer blinden Verhimmelung ihrer
Leistungen haben hinreifsen lassen. -
Die Mittel, uns in Europa aus eigener Anschauung einen Ueber-
blick über die Geschichte der japanischen Malerkunst und ein Urtheil
über ihre Entwickelung und Bedeutung zu schöpfen, verdanken wir
zWeien Männern. Der Eine, William Anderson, ein Engländer, legte,
Während er als Professor der medicinischen Universität in Tokio lebte,
eine Sammlung von nahezu 2000 Kakemono, Makzmono und Orzßon an,
welche dann in den Besitz des British Museum überging; der Andere,
ein deutscher Gelehrter, Dr. H. Gierke, vereinigte in gleichem Geiste
eine ähnliche Sammlung, welche nach der Anderson'schen die reich-
haltigste ihrer Art in aufserjapanischen Landen und von der königl.
preufsischen Regierung angekauft, aber leider noch nicht zur Aufstellung
gelangt ist, anscheinend, weil es zweifelhaft ist, 0b Sie als ein Annex
der Kunstmuseen oder des Museums für Völkerkunde der Oeffentlich-
keit übergeben werden soll. Anderson wie Gierke haben den Werth
ihrer Sammlungen durch Veröffentlichungen und sorgfältige Katalogi-
sirung wesentlich erhöht. Während der deutsche Forscher seinem Vor-
haben, eine Geschichte der japanischen Malerei zu veröffentlichen,
durch frühen Tod entrissen worden, hat Anderson den bedeutenden,
in seiner ehemaligen Sammlung aufgespeicherten Anschauungsstoff
aufser in dem genannten Werke noch in einem abseiten des British