POMPEJISCHE
ORNAMENTE.
gemein ist. Einen grossen Theil seiner Anmuth verdankt er wohl der leichten, Hiichtigen und freien Aus-
führungsweise, die man in der Zeichnung unmöglich wiederzugeben vermag, und deren Nachahmung in
keiner Restauration je mit glücklichem Erfolge vollbracht werden ist. Die Ursache dieses Misslingens ist
unstreitig darin zu suchen, dass die pompejischen Künstler mit der Zeichnung auch zugleich die Erfindung
vereinten; jeder Pinselstrich hatte eine Meinung, eine Absicht die kein Copist zu fassen vermag.
Die vom Herrn Digby Wyatt, im Crystal Palace, Sydenham, bewerkstelligte Restauration eines pompeji-
sehen Hauses schlug in dieser Beziehung fehl, so bewundernswerth und so richtig wahr sie auch in jeder
andern Hinsicht ist; und doch wäre es unmöglich gewesen mehr Kenntniss, Erfahrung und Eifer zu ent-
wickeln, als Signor Abbate auf die richtige Auffassung und genaue Ausführung dieser Verzierungen ver-
wendete. Aber der unvollkommene Erfolg entstand daraus, dass er seine Malerei zu sorgsam durchführte
und die Individualität dabei versäumte.
Die Ornamente der Tafel xxnr, die deutlich das Gepräge ihres griechischen Charakters offenbaren, sind
meistens Ränder von Feldern mittelst Schablonen ausgeführt. Sie haben etwas Schmälchtiges in ihrer
Beschaffenheit, das eine merkliche Inferiorität verrath; man iindet nicht mehr die vollkommene, vom
Mutterstamm ausgehende Strahlung, noch die vollkommene Eintheilung der Massen und der Verhältniss-
mässigen Flächenraume. Ihr Reiz liegt im gefalligen Gegensatz der Farben, der noch kräftiger hervortritt,
wenn das Grundcolorit von andern Farben in situ umgeben ist.
Die Ornamente von Pilastern und Friesen, Tafel XXIV., die den Stempel des römischen Typus an sich
tragen, sind schattirt um die Rundung anzugeben, doch nicht so stark um sie vom Grunde hervorzuheben.
In dieser mässigen und beschränkten Anwendung der Rundung des Ornaments haben die pompejischcn
Künstler eine richtige Beurtheilungskraft an den Tag gelegt, die man in spätem Zeiten ganz aus den
Augen verloren hat. Wir iinden hier die aus dem Acanthusblatt gebildete Rankenverzierung als Grundwcrk,
worauf Darstellungen von Blättern und Blumen mit Thieren verschlungen angebracht sind, in jeder Be-
ziehung den, in den römischen Bädern gefundenen Ueberbleibseln ähnlich, und die zur Zeit des Raphael
zur Grundlage der italienischen Ornamente wurden.
Tafel XXV. enthält die Sammlung aller Formen der Mosaik Fussböden, die, so Weit die römische Herr-
schaft reichte, in jeder Wohnung zu finden waren. "Das in manchen dieser Muster sich kundthuende
Bestreben nach Hervorbringung des Reliefs dient als Beweis, dass der Geschmack der Römer nicht mehr so
verfeinert war,_als der ihrer griechischen Lehrer. Die oben und an den Seiten des Blattes befindlichen
Ränder, aus wiederholten Sechsecken gebildet, bilden die Typen, von denen man alle die unendlichen Varie-
täten der byzantinischen, arabischen und maurischen Mosaiken unmittelbar ableiten kann.