GRIECHISCHE
OB NA MENTE.
höchsten Kunstwerke, beobachtet Wurden, eine Vollkommenheit, die man erst dann recht zu fassen vermag,
wenn man es versucht, griechische Ornamente zu reproduciren, we1ches' sehr selten mit gutem Erfolge ge-
schieht. Ein sehr charakteristischer Zug der griechischen Ornamente, der auch von den Römern beibehalten,
aber während der byzantinischen Periode beseitigt wurde, ist der Umstand, dass die verschiedenen Theile
der Schnörkel oder Rankenverzierung in ununterbrochener Linie aus einander entspringen, wie im Ornament
vom choragischen Monument des Lysicrates.
Vom chomgischen Monument des Lysicmtes, Athen.
-L. VULLIAMY.
Im byzantinischen, arabischen, maurischen und früh-gothischen Styl entspriessen die Blumen an beiden
Seiten von einer ununterbrochenen Linie. Dies beweist, dass die geringste Abweichung von einem festgestellten,
allgemein angenommenen Principium hinlänglich ist, eine ganz neue Reihenfolge von Formen und Ideen zu
erzeugen. Die römischen Ornamente kämpften beständig gegen dieses scheinbar unbewegliche Gesetz an,
ohne es zu beseitigen. Am Anfang des Capitels der römischen Ornamente befindet sich ein schönes Muster,
welches als der Typus aller andern römischen Verzierungen gelten kann, in denen man übrigens selten weiter
ging als bis zur Anlage einer Volute, die aus einem Stamm entspringt der in einen andern Stamm eingepasst
ist, und eine Blume umschliesst. Erst in der byzantinischen Periode befreiete man sich von diesem einge-
wurzelten Gesetze, und die dadurch bewirkte Veränderung hatte dieselben wichtigen Folgen für die Orna-
mentation, als die von den Römern berwerkstelligte Substitution des Bogens anstatt des Architravs, oder die
Einführung des Spitzbogens in die gothische Architektur. Veränderungen dieser Art üben auf die Ent-
wickelung eines neuen Ornamentstyls ungefähr den Einfluss aus, den die unerwartete Entdeckung eines
neuen allgemeinen Gesetzes in der WVissenschaft hervorbringt, oder irgend eine glückliche privilegirte Idee im
Gebiete der Industrie, die Tausende in Bewegung setzt, begierig den roh entworfenen Gedanken zu prüfen
und zu vervollkommenen.
Tafel XXII. ist den Ueberresten colorirter Ornamente griechischer Denkmäler gewidmet. Man wird
finden, dass die Zeichnung derselben sich in ihrem Charakter gar nicht von den Vasenmalereien unter-
scheidet. Es wird jetzt beinahe allgemein anerkannt, dass die weissen Marmortempel der Griechen ganz
mit Malereien bedeckt Waren. Wenn auch, hinsichtlich der mehr oder minder ausgedehnten Farbenanwen-
dung in der Sculptur, mancher Zweifel gehegt werden mag, so ist doch gewiss in Bezug auf die Gesimsver-
zierung kein solcher Zweifel möglich. Die Spuren der Farben sind überall so stark ausgeprägt, dass die
Spuren des Musters sich deutlich auf dem Gips abdrucken. wenn man Abgüsse von den Gesimsverzierungen
macht. Aber was es wohl für Farben waren, ist keineswegs so klar: sie werden von verschiedenen Quellen
auch verschieden angegeben, der Eine will Grün gesehen haben, wo ein Anderer Blau zu {inden glaubt,-
oder denkt sich Gold, wo ein Anderer Braun sieht. Soviel jedoch ist gewiss, dass die Verzierungen an den
Gesimmn, die so hoch oben angebracht, und, im Verhältniss zur Entfernung aus welcher sie gesehen wurden,
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