Volltext: Grammatik der Ornamente

ITALIENISCHE 
ORNAMENTE. 
von Theodore de Bry dient als eine gar nicht üble Illustration der eigenthiimlichen Weise auf welche die 
verschiedenen, zum Emailliren im Style Cellinfs eigens angepassten Motive zusammengestellt wurden, um 
die zu jener Zeit üblichen Grotesken zu erzeugen. Dergleichen Solecismen finden sich keineswegs nur in 
den Werken des Theodore de Bry, denn die radirten Kupferst-iche von Etienne de Laulne, Gilles PEgare, 
und andern französischen Künstlern offenbaren denselben Charakterzug.  
Die deutschen und französischen Graveure und Musterzeichner lieferten auch häufig Modelle zu den 
damascirten Arbeiten die in Deutschland, Frankreich und Italien so allgemein beliebt waren. 
Wenn man bedenkt, dass die Kreuzfahrer morgenländische Waffen zu Damascus kauften und oft 
gediegene Arbeiten dieser Gattung, wie zum Beispiel die " Vase de Vincennes," nach Europa brachten, so 
begreift man kaum wie es kam, dass kein Versuch gemacht wurde dergleichen Arbeiten nachzuahmen, bis 
etwa in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts, wo man anfing die zu jener Zeit in Italien adoptirte Platten- 
riistung mit damascirter Arbeit zu schmücken. Wahrscheinlich gelangte diese Kunst aus dem Oriente 
zuerst nach den grossen Handelsstadten Venedig, Pisa und Genua, und wurde nachher, anstatt der theil- 
Weisen Vergoldung, als eine bleibendere Verzierung der Waifenrüstungen allgemein angenommen, besonders 
in der Stadt Mailand, welche zu jener Epoche dieselbe Stelle in Europa einnahm, die Damascus im Morgen- 
land behauptet hatte, als der grösste Stapelort der besten WIaiTen und Rüstungen. Doch wurde die damascener 
Arbeit zuerst ausscbliesslich zur Verzierung der Waffen gebraucht, so dass die italienischen Schriftsteller 
sie immer nur unter dem Namen " lavoro all" azzimina " bezeichneten. Im Anfang des sechzehnten Jahr- 
hunderts iing diese Kunst an sich ausserhalb Italiens zu verbreiten, indem die französischen und spanischen 
Kunstarbeiter sie wahrscheinlich von den reisenden Künstlern erlernten, welche die Könige jener Zeit, aus 
Liebe zur Kunst oder Vielleicht nur aus Eitelkeit, an ihren Höfen unterhielten. Das schönste Beispiel 
damascirter Arbeit ist wohl die Rüstung Franz I., im Cabinet des Medailles zu Paris. Diese Rüstung, 
sowohl als der der Königin von England angehörige Schild zu Windsor, wird dem berühmten Cellini 
zugeschrieben ; wenn man aber diese Stücke mit andern YVerken vergleicht, von denen man bestimmt weiss, 
dass sie von ihm sind, so findet man, dass die Zeichnungen der Figuren vielmehr die Arbeit eines Augsburger 
Künstlers verrathen, als den kühnen Styl welchen Cellini sich aus den Werken Michelangelds angeeignet 
hatte. 
Vorn genannten Zeitpunkt bis gegen die lllitte des siebzehnten Jahrhunderts wurde eine grosse Menge 
damascirter Waffen verfertigty, von denen zahlreiche und herrliche Beispiele im Louvre, im Cabinet- des 
lllädailles und im Musee d'Artillerie aufbewahrt Werden. Unter den Künstlern, die wegen ihrer damascirten 
Arbeiten und als WafTenschmiede besonders ausgezeichnet waren, nennen wir Michelangelo, Negroli, 
Piccinini und Cursinet.  
In England wurde diese Kunst nur sehr wenig ausgeübt, und anstatt der damascirten Arbeit gebrauchte 
man theilweise Vergoldung, gravirte Verzierungen, schwarze oder rothbraune Politur. Die wenigen Beispiele 
dieser Art Arbeiten die sich in Grossbritannien befinden, wurden vom Auslande eingeführt Qder in 
Schlachten erobert, wie z. B. die prächtigen Rüstungen dieder Graf von Pembroke nach der Schlacht von 
St. Quentin nach England brachte. 
Im Vorhergehenden haben wir mit Wohlgefallen darauf hingewiesen, wie die französische Ornamente- 
tionskunst, mittelst der Nachahmung italienischer Vorbilder, im sechzehnten Jahrhundert sich aufs neue 
entwickelte; jetzt aber ist es unsere Pflicht den höchst schädlichen Einfluss darzuthun, den das Befolgen 
derselben Modelle im siebzehnten Jahrhundert ausübte. Es unterliegt keinem Zweifel, dass zwei begabte, 
aber zu hoch geschätzte italienische Künstler, die während ihrer Lebenszeit von ihren Zeitgenossen auf den 
Gipfel des Ruhmes gestellt wurden, der französischen Kunst den grössten Schaden zugefügt haben. Diese 
zwei Künstler waren Lorenzo Bernini und Francesco Borroniini. Der erst genannte, geboren 1589, war 
der Sohn eines iiorentinischen Bildhauers. Er Verrieth frühzeitig ungemein grosse Anlagen zur Sculptur, 
und fand schon im Jiinglingsalter beständige Beschäftigung als Bildhauer und als Architekt. Er wohnte 
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