Volltext: Grammatik der Ornamente

ORNAMENTE. 
ITALIENISCHE 
seine Fähigkeit und seine Schwäche als Ornamentist. Er kann sich der Erinnerungen der Antike nicht 
erwehren, ist aber zugleich Viel zu selbstsüchtig um sich mit der sorgfältigen Reproduction derselben zu 
genügen, daher seine dem Alterthum entlehnten Motive unter seiner Behandlung ein gewisses unruhig 
bewegtes Ansehen annehmen, welches man in den Resten der classischen Antiquität nie antrifft. Die der 
Natur entnommenen Motive wurden ebenso übel von ihm behandelt, und es schien als ob er die Blumen 
pflückte, bloss um sie mit rauhem Griff zu erdrücken. Doch hat seine Phantasie etwas Kühnes, seine 
Behandlung einen freien Schwung und eine Sicherheit die ihm eine ehrenvolle Stelle im Tempel der Kunst 
versichern. Gleich dem " Van, dem es zwar an Grazie, nie aber an Witz fehlte," zeigt er sich besonders 
mangelhaft hinsichtlich des Geschmackes, dessen Richtung zu seiner Zeit von ihm, als einem der Haupt- 
schiedsrichter, abhing. Dieser Mangel verkündet sich in manchen Ornamenten der Tafel LXXXIX., welche 
meistens dem Palaste del Te zu Mantua entnommen sind. So wird der Eifect der im freien Schwung kühn 
ausgeführten Rankenverzierung, Fig. 2, gänzlich zerstört durch das lächerliche Aussehen der Figur aus 
welcher sie entspringt. In F ig. 3 scheint es als 0b die Masken, die anmuthigen Formen welche sie umgeben, 
verhöhnen wollten; und in Fig. 4 istldie Natur ebenso übel behandelt als die Antike. Die Fig. 6 deutet 
auf eine Wichtige Moral hin. Knechtisch, gerade da wo ein Ornament frei sein sollte, nämlich in der 
Anordnung der Hauptlinien; und frei, wo eine gewisse Unterwürligkeit für einige allgemein angenommene 
Typen nicht mehr knechtisch genannt werden könnte, nämlich in den accessorischen Elementen, verrälth 
Typographisches Ornament aus einem der Werke der frühen puriSer Presse. 
(Stephans, griechisches Testament.) 
diese seine laufende Rankenverzierung, welche einem der gewöhnlichsten Muster des Alterthums nachgebildet 
ist, zugleich Giulio's geringe Eriindungskraft und Mangel an Geschmack. 
Derselbe eigenthümliche Einfluss, den gewisse Localumstände auf den Ornamentationsstyl ausüben, wie 
wir schon im Bezug auf die Arabesken bemerkt haben, äussert sich ebenso bestimmt in den vorzüglichsten 
typographischen und xylographischen Illustrationen der frühen Buchdrucker. In den Ornamenten, Fig. 
4_7, 9-16, Tafel XC., zum Beispiel, die wir dem berühmten, im Jahr 1499 zu Venedig gedruckten " Ety- 
mologion Magnum " entnommen haben, beruhen die Formen der Verzierungen und die fast gleiche 
Vertheilung der " pieni " und " vuoti " auf dem Styl jener orientalischen und byzantinischen Bruchstücke, 
die zu Venedig besonders in reichlichem Maasse vorkommen. Manche der aldinischen Anfangsbuchstaben 
der letztgenannten Tafel dürften, ihrem Ansehen nach, von derselben Hand gestochen worden sein, welche 
die Motive der damascirten Metallarbeiten derselben Epoche ausgegraben hatte. Die toskanische Bibel 
von 1538 zeigt endlose Beispiele von conventionellen Behandlungen der Bildhauerarbeiten des Cinque-Cento 
Styles, die in den Kirchen von Florenz in reicher Fülle vorhanden sind. Ebenso verehrbar und beachtens- 
werth sind die Leistungen der pariser Presse. 
Die Leistungen desstephans (Fig. 29, aus dem berühmten griechischen Testament), die des Colinaeus, 
seines Schülers (Fig. 3), die des Mace Bonhomme, von Lyon, 1558, die des Theodore Rihel von Frankfurt, 
1574, die des Jacques de Liesveldt von Antwerpen, 1544, und die des Jean Palier und des Regnault Chaul- 
diere aus Paris, liefern so manche anziehende und interessante Illustrationen der Verschiedenheit der 
Localtypen in den Verzierungs-Details eines halb-alterthümlichen Charakters. 
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