ITALIENISCHE
ORNAMENTE.
die frühen Künstler die daselbst entworfenen Skizzen auf moderne Arabesken in Anwendung brachten, so
konnten sie nicht umhin ihrer Malerei gewissermassen das steif förmliche Gepräge aufzudriicken, welches
den, ihren Zeichnungen zum Modell dienenden Sculpturen und andern materiellen Gegenständen noth-
wendig eigen sein musste.
Dieser Umstand erklärt den Unterschied, den man in den ersten Reproductionen der gemalten Decora-
tionen des kaiserlichen Roms zwischen den Nachahmungen und den nachgeahmten Gegenständen bemerkt.
Unter den Kunstforschern, die die Antiken mit besonderem Eifer studirten, that sich Pietro Perugino
besonders hervor, der sich gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts zu diesem Zweck in Rom aufhielt, WO
er eine so ausgezeichnete und vollständige Sammlung von Studien antiker Ornamente zusammenbrachte,
dass er den Auftrag erhielt in seiner Vaterstadt die Wände der Börse, " Sala di Cambio," mit Fresken
auszuschmücken, die den alten Styl und manche antike Gegenstände lebhaft darstellen sollten. Dieses
prächtige Kunstwerk, denn als solches wurde es anerkannt, welches er in Perugia bald nach seiner Heimkehr
aus Rom vollendete, beweist dass er in vollen Zügen an der classischen Quelle der antiken Kunst geschöpft
hatte. Es stellt unstreitig die erste vollständige Reproduction der " Grotesken " der Alten dar, und ist
überdies bemerkenswerth, erstens in so fern es den Anspruch Pietrols bestätigt als der erste Künstler
betrachtet zu werden, der diesen anmuthigen Decorationsstyl mit Genauigkeit und im Grossen aufs neue
entwickelte, und zweitens als das erste "Probestück " das nachher manchen ungeübten Händen zum Modell
diente, bis es durch ihre unermüdlichen Bestrebungen zur grössten Vollkommenheit gebracht wurde.
Die vorzüglichsten Schüler des Perugino waren Rafael, zwischen sechzehn und siebzehn Jahr alt; Fran-
cesco Ubertini, besser bekannt unter dem Namen Bacchiacca, und Pinturicchio, deren Bemühungen
wesentlich zur Ausbildung jener anmuthigen und launenhaften Ornamente beitrugen. Der Einfluss, den
der Erfolg ihrer ersten jugendlichen Bemühungen in diesem Felde auf die künftige Laufbahn dieser drei
Künstler ausübte, ist höchst merkwürdig, denn diesem ersten Erfolg verdankten Rafael und Pinturicchio die
von Beiden zusammen ausgeführten Decorationsarbeiten in der berühmten Bibliothek zu Sienna. Ueberdies
wurde Rafael dadurch veranlasst sich mit Eifer auf jene Studien zu verlegen, welche zur Composition seiner
unnachahmlichen Arabesken in den Loggie des Vatikan, 8m. 8m, führten; und Pinturicchio übernahm in
der Folge die Ausschmückung der Decke des Chors von Sta. Maria del Popolo, und die der Gemächer des
Borgia zu Rom. Bacchiacca seinerseits gewann diesem Styl so viel Gefallen ab, dass er sein ganzes Leben
der Malerei von Thieren, Blumen, 8zc., in grotesker Behandlung widmete, so dass er endlich durch ganz
Italien als der vollkommenste ,Meister dieses Styls berühmt wurde.
An frei iiiessender und gediegener Zeichnung, an Harmonie des Colorits, an glänzendem IParbenauftrag,
an liehtigem Verhältniss der " pieni " und " vuoti," und an genauer Nachahmung der lilalereien der alten
Römer, stehen die in Frescomalerei ausgeführten Arabesken an der Decke der " Sala di Cambio," die ersten
in ihrer Art, weit über alle auf ähnliche Art ausgeführten Werke, obwohl sie an zarter Durchführung und
feiner Auffassung den nachherigen Leistungen des Giovanni da Udine und des Morto da Feltro kaum
gleichgestellt werden können.
Während Rafael sich in Rom aufhielt, wurde er vom Papst Leo X. beauftragt einen Säulengang zu
decoriren, der unter der Regierung des vorigen Papstes, J ulius II., von Bramante, Schwiegervater des Rafael
gebauet worden war.
Es wurde beschlossen, dass das Thema der Decorationen zwar von heiligem Charakter sein müsste, doch
dass der Styl und die Durchführung mit den schönsten Resten alter Malereien, die bis zu jener Epoche zu
Rom entdeckt worden waren, wetteifern sollten. Die Hauptzeichnungen wurden, wie es scheint, von Rafael
selbst angefertigt, während die Details einer auserlesenen Schaar von Gehülfen überlassen wurde, die sich
ihrer Arbeit unstreitig mit grösstern Eifer beflissen zu haben schienen. Unter ihren Händen, gelenkt und
beseelt vom gediegenen Geschmack des grossen Urbinesers, gediehen die berühmten "Loggie," die von je
her ein Gegenstand der Bewunderung aller Künstler gewesen sind. In der sorgfältig gewählten Sammlung