ELISABETHEISCHE
ORNAMENTE.
illuminirte Bücher, Kupferstiche, damascirte Metallarbeiten und andere ähnliche Werke der reinen Orna-
mentation, während die Künstler, welche in der hier behandelten Periode in England thätig waren, den der
Malerei eigenen Ornamentationsstyl in allen Zweigen der Kunst anwendeten, und keinen Anstand nahmen,
die ungefesselten launenhaften Phantasien der decorativen Künstler, wie sie in den Kupferstichen erschienen,
auf den Facaden der Gebäude darzustellen.
Die Charakterzüge der elisabetheischen Ornamente äussern sich in grotesk verwickelten Varietäten von
durchbrochenem Schnörkeln und Rankenverzierungen mit gekräuselten Rändern; in verschlungenen Bändern,
bald geometrisch angeordnet, bald fliessend und launenhaft, wie z. B. Fig. 12, Tafel LXXXIII. und Fig. 26
und 27, Tafel LXXXIV.; in Nestelverzierungen und Bändern von Nagelköpfen; in gekrümmten und ge-
brochenen Contouren; in Laubgehängen, Früchten, Faltenwürfen, mit eingeschalteten Menschenfiguren in
roher Ausführung; in grotesken Thieren und Ungeheuern; hier und da mit grossen und fliessenden Zeich-
nungen natürlicher Zweige und Blätterverzierungen, wie man in Fig. 7, Tafel LXXXIII., und in einem
noch vorhandenen Motiv, an der Decke der grossen Gallerie zu Burton Agnes in Yorkshire, sehen kann;
und endlich in Ballenblumen und Diamantenverzierungen. Auch sieht man häufig grotesk gebildete
Wölbsteine und Kragsteine. Die Ausführung der Steinhauerei und der Holzschnitzerei ist zwar rauh aber
kühn und eifectvoll. Diese Ornamente wurden nicht, wie das im Anfang der Renaissance auf dem Festland,
vorzüglich in Frankreich und Spanien geschah, auf gothische Formen angebracht, sondern das Grundwerk,
oder die architektonische Masse war, mit Ausnahme der Fenster, wesentlich von italienischem Charakter; die
verschiedenen Bautheile waren rauh auf einander gelegt, die äussern Mauern waren mit Kranzgesimsen und
Geländern versehen, während die innern Wände mit Friesen und Kranzgesimsen eingefasst und von flachen
oder gewölbten Decken begrenzt wurden; selbst- die Giebel mit ihren concaven und convexen Linien, die in
diesem St-yl so häufig vorkommen, waren den Mustern der venetianischen Renaissance-Schule nachgebildet.
Was die colorirten Buntmuster anbetrifft, die auf Holz, an den Kleidern der monumentalen Bildsäulen
und an Tapeten zu finden sind, so verrathen sie einen höhern Grad von Richtigkeit und Reinheit der Zeich-
nung als die Schnitzarbeit, und die Farben sind reich und kräftig ausgeprägt. Der grössere Theil dieser
Arbeiten, und besonders die sogenannten Arras-Tapeten, die zur Verzierung der Wände und als Möbel-
Ueberzüge allgemein gebraucht wurden, kamen wahrscheinlich von flämischen Webstühlen, oder auch aus
Italien her, denn in England gab es keine Fabriken dieser Art bis im Jahre 1619, wo die erste ein-
heimische Fabrik zu Mortlake angelegt wurde.
Die Fig. 9, 10, 11, 13, Tafel LXXXV. verrathen das Gepräge des italienischen Charakters deutlicher
als alle andern von uns dargestellten Muster, und Fig. 13 ist die Arbeit eines Italieners. Die Fig. 12, 14,
16, verschiedenen Bildnissen aus der Zeit Elisabetlfs und Jakobis I. entnommen, tragen auch das Gepräge
italienischer Kunst und rühren wahrscheinlich von holländischen oder italienischen Künstlern her. Die
Fig. 1, 4, 5, 15, 18, sind zwar im italienischen Geschmack, verkünden aber zugleich eine bedeutende Origi-
nalität, während die Fig. 6 und 8 im gewöhnlichen elisabetheischen Styl ausgeführt sind. Die Zunft der
Eisenhändler in London besitzt ein Bahrtuch, welches von 1515 herrührt und manch schönes Muster der
colorirten Ornamente jener Zeit enthält. Der Grund des Tuches ist Gold mit einem reichen und Hiessenden
Muster von Purpur verziert. Im Ganzen gleicht es genau den gemalten Antipendien einiger Altäre der
Kirche Santo Spirito zu Florenz (fünfzehntes Jahrhundert), und wurde wahrscheinlich in Italien angefertigt.
In der Kirche St. Mary zu Oxford bewahrt man ein prächtiges Kanzeltuch mit blauem Muster auf
goldenem Grund, und zu Hardwike Hall, Derbyshire, befindet sich eine prächtige Tapete mit einem Muster
von carmesinrothen und goldenen Fäden auf blauseidenem Grund. Das schönste Beispiel dieser Art Arbeit
befindet sich aber im Besitze der Gesellschaft der Sattler in London: es besteht aus einem carmesinrothen
Bahrtuch von Sammetä mit goldenem Muster verziert, und wurde im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts
Vide Shaw's herrliches Werk, "Arts of the Middle Ages!
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