Volltext: Grammatik der Ornamente

ORNAHENTE 
RENAISSANCE. 
Werke denen Leonardds gleich kommen, wenn sie sie nicht übertreffen. Unter den vorzüglichsten nennen 
wir Pierre Raymond, die Familien Penicaud, und Courtey, Jean und Susanna Court, und M. D. Pape. 
Pierre, der älteste unter den Courteys, war nicht nur ein trei-Hicher Künstler, sondern hatte auch den Ruf 
die grössten Stücke von Emailarbeiten geliefert zu haben die je ausgeführt worden sind; neun derselben 
werden gegenwärtig im Museum des Hötel Cluny bewahrt, und. drei andere sollen, wie Labarte uns berich- 
tet, sich jetzt in England befinden. Diese Stücke waren zur Decoration der Fagade des Schlosses Madrid 
bestimmt, auf dessen Bau und Verschönerung Franz I. und Heinrich II. bedeutende Summen verschwendeten. 
Wir müssen hier bemerken, dass die limusinischen Emails in 
dieser 
letztem 
Gestalt 
keineswegs 
mehr, wie 
in den vorigen Perioden, auf heilige Gegenstände beschränkt wurden, im Gegentheil, selbst die ersten Künst- 
ler der Zeit verschmäheten es nicht, Vasen, Kästchen, Becken, Wasserkannen, Tassen, Kredenzteller und 
andere zum täglichen Gebrauch dienende Gegenstände zu entwerfen, die ganz mit schwarzem Schmelz 
deckt, und nachher mit Medaillons, 8420., von undurchsichtigem Weiss verziert wurden. Während 
be- 
der 
frühen Epoche dieser neuen Arbeiten verzierte man die meisten Emails mit Gegenständen, welche den 
Kupferstichen des Martin Schön, Israel van Mecken, und anderer deutschen Künstler entlehnt wurden. 
Diese wichen bald darauf den Kupferstichen des Mard Antonio Raimondi, und anderer Italiener, welche 
ihrerseits wieder, ungefähr in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, den Werken Virgilius Solis, Theodore 
de Bry, Etienne de PAuIne, und anderer Kleinmeister Platz machen mussten. 
Die Emailmalerei war im thätigsten Betrieb zu Limoges während des fünfzehnten, sechzehnten, sieben- 
zehnten, und sogar weit bis ins achtzehnte Jahrhundert, ehe 
endlich 
erlosch. 
letzten 
Emailmaler 
waren die IPamiIien Nouailler und 
Laudin, deren 
vorzüglichste 
Arbeiten 
dadurch 
unterscheiden, dass 
die Metallblättchen, 
"paillons," an ihnen fehlten, und dass 
eine gewisse Unbestimmtheit der Zeichnung 
verriethen  
Zum Schlüsse 
ermahnen wir 
Kunstforscher 
noch, 
Schönheiten 
Renaissance 
eifrig 
pflegen, aber auch die übertriebene Extravaganz derselben emsig zu vermeiden. In der Kunst, wie in der 
Staatspolitik, bedingt grosse Freiheit, auch glrosse Verantwortlichkeit. In einer Stylart, wo keine andere 
Fessel als die seines eigenen Urt-heils den Künstler hemmt, muss dieser besonders darauf bedacht sein, 
seine Phantasie im Zaum zu halten. Er darf wohl Verzierungen in Fülle entwerfen, doch muss er, im 
Entwurfe derselben, Bescheidenheit 
und Schicklichkeit 
ausser Acht 
lassen, und 
überladener 
Schmuck 
ist ebenso sorgfältig zu vermeiden als schmucklose Nacktheit. Wenn der Künstler keinen besondern 
Gegenstand darzustellen hat, soll er sich mit Blumenverzierungen und conventionellen Elementen zur Aus- 
schmückung seiner Arbeit begnügen, die dem Auge schmeieheln, ohne den Geist besonders in Anspruch zu 
nehmen. In Folge dieser nüchternen Enthaltsamkeit wird es ihm um so leichter werden, die Aufmerksam- 
keit des Beschauers auf jene Punkte zu richten, wo es ihm daran zu thun seinmag, einen materiellen Gegen- 
stand darzustellen. Im Styl der Renaissance, WO die verschwisterten Künste nicht nur zusammen bestehen 
können, sondern oft verbunden werden müssen, ist es Wichtig, dass der Künstler immer die besondern und 
speciellen Eigenheiten jeder einzelnen Kunst in Betracht ziehe. Wie in einer wohlgeordneten Familie sollen 
die verschiedenen verwandten Künste in enger und harmonischer Verbindung mit einander stehen, ohne 
dass je die eine Kunst die Vorrechte der andern antaste, oder gar ihr eigenes Gebiet verlasse, um in 
Fach ihrer verschwisterten Kunst zu greifen. Bei strenger Aufrechthaltung dieser Grenzen muss 
das 
der 
Kunststyl, in welchem, wie im Styl der Renaissance, die Architekturgdie Malerei, die Sculptur und die voll- 
kcmmenste technische Durchführung in ihrer vereinten Zusammenwirkung, zum vollständigen Elfect unent- 
behrlich nothwendig sind, auch natürlicherweise der wirksamste, der prälchtigste, unter allen Stylarten 
sein, und am besten geeignet, den vielfachen Bedürfnissen unseres verwickelten und künstlichen Social- 
sytems Genüge zu leisten. 
DIGBY 
WYATT.
	        
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