Volltext: Grammatik der Ornamente

ORNAMENTE. 
MITTELALTERLICHE 
illustrirten i'm-m über, wo der Rand nach aussen von einer rothen Linie begrenzt, während der innere 
Raum desselben mit Stämmen und Blumen ausgefüllt wurde, um eine gleiche Tinte zu erzeugen. N0. 8 
ist das Muster eines im vierzehnten Jahrhunderte allgemein verbreiteten Styls von wesentlich architektoni- 
schenn Charakter. Es ist ein Ornament das man häufig in kleinen Messbüchern findet, wo es prächtige 
Miniaturbilder umsehliesst. 
Die allmälige Abweichung von den flachen conventionellen Formen, N0. 13 und 14, äussert sich stufen- 
weise in den Nummern 9, 10, 11, bis sich endlich, in den Nummern 15, 7, 2, das Streben, die Rundung der 
natürlichen Formen-in Relief darzustellen, aufs deutlichste kund thut. Es offenbart sich ebenfalls ein 
Zeichen des allmäligen Verfalls im ununterbrochenen Zusammenhang der Hauptstämme. Zwar lässt sich 
jede Blume oder Blätterg-ruppe in N0. 15, 7, 2, zu ihrer Wurzel zurückführen, aber die allgemeine Anord- 
nung ist fragmentarisch. 
In den bisher abgehandelten Beispielen schlugen die Ornamente noch ins Fach des Schreibers, und wurden 
zuerst in schwarzen Contour-Linien entworfen und nachher colorirt; aber in den, auf der Tafel LXXIIL, 
dargestellten Ornamenten, fing der Maler an dem Schreiber 
fortschreitet, desto mehr entfernt man sich vom eigentlichen 
ins Handwerk zu greifen, und je weiter man 
Charakter und den rechtmässigen Grenzen der 
Bilderhandschri ft. 
N0. 5 stellt uns die erste Stufe dieses Ueberganges dar. Die Anordnung ist geometrisch und besteht 
aus conventionell behandelten Ornamenten, die goldene Felder umschliessen, und auf diesen Feldern sieht 
man gemalte Blumengruppen, gewissermassen conventionell behandelt. In den Nummern 6, 7, 8, 9, 10, 
15, finden sich conventionelle Ornamente mit natürlichen Blumen untermischt, und fragmentarisch geordnet. 
diesen Beispielen schon ist das Gesetz des Linunterbrochenen Zusammenhangs der Zeichnung ausser Acht 
gelassen, aber in N0. 11 sieht man sogar eine natürliche Blume und ein conventionelles Ornament an einem 
und demselben Stamme angebracht, und endlich in N0. 12 und 13 scheint der Maler seiner ungebundenen 
Laune freien Lauf gelassen zu haben, indem er Blumen und Insekte hinmalte, die ihren Schatten deutlich 
aufs Blatt verbreiten. 
Nachdem die 
Miniaturmalerei 
einmal 
erreicht 
hatte, konnte 
weiter gehen 
 jeder Gedanke der Idealität war hin, und an ihre Stelle trat das Streben ein Insekt so genau 
und natürlich nachzuahmen, dass es den Anschein habe, als 
Papier 
niederge- 
lassen hätte. 
In N0. 
italienischen 
und 2 sieht man Beispiele einer Stylart die den 
Manuscripten 
eigen 
Es ist 
eine Verzierungsweise die ursprünglich im zwölften J ahrhundert allgemein verbreitet 
nachher, 
fünfzehnten Jahrhundert, aufs neue ins Leben 
gerufen 
wurde. 
Diese 
Verzierungswei se 
führte 
goldenem Grunde 
N0. 3 oäenbarten Styl, der aus reichlich colorirten verschlungenen Mustern auf 
besteht. 
Dieser Styl erlosch auf dieselbe Weise als der vorher benannte, indem die verschlungenen Zeichnungen, 
anstatt rein geometrischer Formen, nur Nachahmungen natürlicher Zweige vorstellten, wodurch der Styl, 
natürlicher "Weise in Verfall gerathen musste. 
Die Ornamente der Glasmalereien kommen 
ihrer 
Beschaffenheit 
Ornamenten 
Manuscripte 
viel näher, als den Sculpturverzierungen an den Monnmenten derselben Epoche, und gehen ebenso wie die 
Verzierungen der Handschriften, den baulichen Ornamenten immer bedeutend voran. Daher kommt es 
z. B., dass die Glasmalerei des zwölften Jahrhunderts schon denselben kühnen vollen Effecb und dieselbe 
Constructionsweise offenbart, der sich in den Sculpturornamenten erst im dreizehnten Jahrhundert ent- 
wickelte, während die Glasmalerei des dreizehnten Jahrhunderts, nach unserer Ansicht, schon im Verfall 
begriifen ist, und denselben Uebergang offenbart, der sich in den schon besprochenen Nummern 13 und 12, 
Tafel LXXL, bemerken lässt.  
Die stetige Wiederholung derselben Form veranlasste nach und nach eine Ueberladung der Details, 
wodurch der allgemeine Effect sehr beeinträchtigt wurde, indem die Verzierungen nicht mehr mit den 
allgemeinen Massen im gehörigen Verhältniss standen. Dieser Mangel an Ebenmass, wo er wirklich 
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