KELTISCHE
ORNAMENTE.
dhne den Gebrauch derselben ermitteln zu können; ebenso auf gewissen kleinen kreisförmigen emaillirten
Täfelchen von früh-angelsalchsischer Arbeit, die man in verschiedenen Theilen Englands gefunden hat.
Doch kommt es nur höchst selten auf Steinarbeiten vor, und, unseres Wissens, giebt es in England nur ein
einziges Beispiel davon, nämlich auf dem Taufstein der Kirche zu Deerhurst, welches daher der älteste ver-
zierte Taufstein in England sein muss, da. dieses Muster in keiner Handschrift vorkommt, die
neunten Jahrhundert in England ausgeführt wurde.
später
Ebenso charakteristisch ist das aus diagonalen Linien bestehende Muster. Diese Linien sind nicht ver-
schlungen, sondern in gleichen Zwischenräumen von einander angeordnet und erzeugen eine Art chinesicher
Motive? Da. ein umgekehrtes Z das Grundelement dieses Musters zu bilden scheint, so wird es auch das
Z-Muster genannt. Es ist zahlreicher Modiiicationen fähig, wie man Tafel LXV., Fig. 6, 4, 9, 10, 11 und 13
sehen kann. In den sorgfältig ausgearbeiteten Manuscripten ist es rein geometrisch und regelmässig, aber
in rohem Arbeiten artete es in eine unregelrnässige Zeichnung aus, wie in Fig. 1 und 3, Tafel LXIII.
Man findet zuweilen in unsern Manuscripten noch ein anderes einfaches Ornament, welches aus einer
Serie winkelförmiger Linien besteht, die, in gleicher Entfernung von einander angeordnet, eine Reihe von
Stufen bilden. Viele Tafel LXIV., Fig. 28 und 36; und Tafel LXV., Fig. 2. Doch ist dieses Ornament
keineswegs den Kelten allein eigen, sondern kommt schon in den ältesten Zeiten auch bei andern Völkern
häufig vor.
Wir wollen noch einer Verzierungsweise erwähnen, die höchst einfach ist und nur aus rothen Punkten
besteht. Diese Punkte dienen im Allgemeinen als Randverzierungen der grossen Anfangsbuchstaben und
auch als Details in den Ornamenten. Sie bilden einen höchst charakteristischen und eigenthümlichen Zug
in den angelsächsischen und irischen Handschriften. Zuweilen aber bildeten die Punkte ein eigenes Muster
wie in Fig. 34 undf37, Tafel LXIV. zu ersehen ist.
3. URSPRUNG DER KELTISCHEN ORNAMENTE-Die verschiedenen hieroben besprochenen Stylarten waren
in Grossbiittanien und in Irland vom fünften bis zum zehnten oder elften Jahrhundert im Gebrauch; und
da, sich dieselben in ihrer reinsten Form und in ihrer grössten Vollendung gerade an jenen Orten offenbaren,
wo die alten keltischen Stämme am längsten herrschten, so nahmen wir keinen Anstand sie insgesammt
unter dem generischen Namen keltischer Ornamente zu bezeichnen.
Wir wollen uns lieber auf die Frage gar nicht einlassen,
Irländer
Buchstaben
und Verzie-
mngsweisen von den ersten brittischen Christen empfingen, oder ob sie dieselben in Irland entwickelten
und nachher in England verbreitet haben. Eine genaue Untersuchung des Localursprunges der frühen
angelsächsischen Handschriften, und des Entstehens der romanischen, der rornanisch-brittischen und der
altchristlichen, mit Inschriften verzierten und ausgehauenen Steindenkmale die im Westen Englands und in
Wallis zu finden sind, würde am besten dazu dienen diese Frage zu entscheiden. Uns genügt das
Zengniss des ehrwürdigen Beda, dass die brittische und irische Kirche in ihren Eigenthümlichkeiten ganz
identisch waren; und dieselbe Identität äussert sich in den Monumenten beider Länder. Zwar Waren alle
diese Stylarten bei den Angelsachsen sowohl als bei den Irländern im Gebrauch ;
Beweis
erwähnen wir
das berühmte Evangeliarium von Lindisfarne, auch als das Buch des heiligen Cuthbert benannt, welches in
der cot-tonischen Bibliothek im brittischen Museum bewahrt wird, und welches, wie man gewiss weiss, gegen
Ende des siebenten Jahrhunderts zu Lindisfarne von angelsächsischen Künstlern verfertigt wurde. Doch
ist es anderseits ebenfalls unläugbar, dass das Stift von Lindisfarne von den Mönchen von Jona, den Zög-
lingen des irischen Stiftes St. Columba, gegründet wurde, so dass es keineswegs unnatürlich war, dass die
angelsächsischen Schüler den Ornarnentationsstyl ihrer irischen Vorgänger angenommen haben. Die
Sachsen, die sich als Heiden in England ansiedelten, hatten gewiss keinen eigenthürnlichen Verzierungsstyl
aufzuweisen; überdies wäre es unmöglich zu behaupten, dass die Ornamentationsweise der angelsächsischen
finden
3 Mehrere von den im obern Theil der chinesischen Tafel LIX. dargestellten Mustern
Modiücation, in unsern Stein- und Metallarbeiten, wie auch in unsern Manuscripten.
96
ohne
sich, beinahe
die geringste