KELTISCHE
ORNAMENTE.
aufbewahrt, und allda. jährlich, am
Jahrestags eines Märterthums, auf dem Altar der Kathedrale
Schau
ausgestellt.
erwiesen worden ist, sämmtlich
Alle diese Manuscripte, die, wie bereits
den brittischen
Inseln
dem Ende des neunten Jahrhunderts
geschrieben
wurden, offenbaren
Eigenheiten
Ornamentation, die
man in keinen Handschriften anderer Länder antrifft, solche Ortschaften ausgenommen, WO die irischen oder
angelsächsischen Missionäre
eigenen
Stylarten
eingeführt,
daselbst
vorhandenen
modificilf
haben mögen.
Es muss hier bemerkt Werden,
IIIISGTG
Beweisgründe
hauptsächlich
Hand-
schriften hergeleitet sind, doch führen die gleichzeitigen verzierten Metall-
oder Steinarbeiten zum nämlichen
Resultat und Schluss, denn die Zeichnungen dieser Werke sind in vielen Fällen so
gänzlich
Abbild
Motive in den Manuscripten, dass man schliessen
muss, dass beide Verzierungsarten
ihre Zeichnungen den-
selben Künstlern verdanken;
und dieses verkündet sich so deutlich in einigen der grossen Steinkreuze, dass
man, beim Anblick derselben, sich beinahe einbilden könnte, man betrachte, mit Hülfe eines Vergrösserungs-
glases, eine der Seiten der illuminirten Bände.
2. EIGENTHUEMLICHKEITEN DER KELTISOHEN ORNAMENTE- Die vorzüglichsten Eigenheiten der keltischen
Verzierung bestehen erstens, in der gänzlichen Abwesenheit der Blattverzierungen und jedes andern phyl-
lomorphischen oder pllanzartigen Ornamentes -vom classischen Acanthus ist keine Spur vorhanden ;
zweitens, in der ausserordentlichen Verwickelung, Umstälndlichkeit und in der sorgfältigen Ausarbeitung der
verschiedenen Muster. Diese sind meistens geometrisch und bestehen aus Bandgeschlingen, aus diagonalen
und spiralförmigen Linien, aus sonderbaren monströsen Thieren und Vögeln mit Kopfschleifen, Zungen und
Schweifen versehen, die sich in endlosen Knoten mit einander verdeckten.
In einigen der prachtvollsten dieser Handschriften, wie z. B. im Buch von Kells, in den Evangelien-
büchern von Lindisfarne und St. Chad, und in einigen der Manuscripte zu St. Gallen, ündet sich, dem Anfange
eines jeden der vier Evangelien gegenüber, eine ganze Seite mit höchst ausgearbeiteten, in Felder abgetheil-
ten Mustern bedeckt, die eine herrliche kreuzformige Zeichnung bilden. Die Mühe, welche eine solche
Masse von Arbeit? gekostet haben muss, ist ebenso erstaunlich als die unendliche, darauf verwendete Sorg-
falt, da man selbst bei der genauesten Prüfung mit Hülfe eines Vergrösserungsglases, keinen einzigen
Fehler in der Richtung der Linien oder in der Regelmassigkeit der Verschlingungen zu entdecken vermag;
und doch, bei all dieser Feinheit und Genauigkeit, ist der harmonische EHect des Colorits vollkommen.
Im Gegensatz zu der früher befolgsten Weise, die Manuscripte mit Buchstaben anzufangen, die sich gar
nicht oder nur sehr wenig vom übrigen Text unterschieden, wurde in diesen Handschriften, ausser den eben
besprochenen prachtvollen Seiten, auch der Anfang eines jeden Evangeliums mit grösster Sorgfalt verziert.
Der Anfangsbuchstabe war oft von riesenmässiger Grösse, und nahm den grössten Theil der Seite ein, so dass
nur noch einige der nächst folgenden Buchstaben, jeder etwa einen Zoll hoch, auf derselben Seite hinzuge-
fügt werden konnten. Auf diesen Anfangsseiten, so wie in den kreuzfdrmigen Zeichnungen gegenüber,
finden sich alle die verschiedenen Stylarten mit mehr oder weniger Details angewendet.
Eines der allgemeinsten und verschiedenartigsten Muster, das von den Kunstarheitern in Metallen, Steinen
und Handschriften angewendet wurde, besteht aus einem, oder auch aus mehreren verschlungenen und ver-
knüpften schmalen Biainldern, die manchmal in äusserst verwickelten Windungen, manchmal wieder symme-
trisch und geometrisch angeordnet sind. Die Tafeln LXIII. und LXIV. enthalten zahlreiche Muster dieser
Ornamente in verschiedenen Stylarten.
Durch das
Bänder mit verschiedenen Tinten auf far-
Coloriren der
verschiedener Art.
machen, darf man
bigem oder schwarzem Grunde, entstehen die herrlichsten Effecte
merkwürdigen Verwickelung dieser Zeichnungen einen Begriff zu
Um sich von der
nur dem Lauf der
Bänder in einigen dieser Muster, wie z. B. im obern Felde der Fig. 5, Tafel LXIII., mit Aufmerksamkeit
folgen. Zwei Bänder laufen oft parallel mit einander fort, sind aber abwechselnd verschlungen, wie Fig. 12,
Auf einer einzigen dieser Seiten, die wir aus dem Evangeliaxium von St.
und zwanzig der fantastischsten Thierfigxlren.
Chad copirten, befinden sich nicht weniger als hundert