MAURISCHE
ORNAMENTE.
VIERECKIGE
BUNTMUSTER.
Das Ornament N0. 1, Tafel XLIL, liefert ein gutes Beispiel des von uns verfochtenen Principiums, dass es
in jeder Composition nothwendig sei, um den Eindruck der Ruhe hervorzubringen, dass die geraden, krum-
men, und geneigten Linien sich gegenseitig halanciren. Man sieht daselhst Linien, die sich in horizontaler,
in senkrechter und in schräger Richtung bewegen, und ihrerseits Wieder, mittelst Kreise die in entgegenge-
setzter Richtung laufen, im Gleichgewicht gehalten werden. Auf diese Weise wird die vollkommenste
Ruhe erzielt, indem die Tendenz des Auges in einer Richtung fortzulaufen, sogleich durch Linien einer
entgegengesetzten Richtung gehemmt wird, so dass das Auge auf jedem Punkte des Musters, worauf es
fallt, zu verweilen geneigt ist. Der blaue Grund der Inschriften und der verzierten Felder und Central-
Stücke, der mittelst der blauen Feder auf rothem Grunde durchgeführt ist, bringt einen eben so heitern
als glänzenden Effect hervor.
Die Hauptlinien der Ornamente 2-4, Tafeln XLII. und XLIF". verrat-hen dieselbe Bildungsweise als die
verschlungenen Ornamente der Tafel XXXIX. In den Nummern 2 und 4 entsteht die im Muster wahr-
nehmbare Ruhe aus der Anordnung des colorirten Grundes, und die Anordnung der Farben hat zugleich
die Bildung eines neuen Musters zur Folge, ganz abgesehen vom Muster, welches aus dem Entwurf der
Form entsteht.
Das Muster N0. 6, Tafel XLIHI, stellt einen Theil einer Zirnmerdecke vor, wie man deren viele im
Alhambra findet: sie werden mittelst der Abtheilungen der Kreise hervorgebracht die von durchschneidenden
Vierecken durchkreuzt werden. Dasselbe Principium offenbart sich in der Copie des illuminirten Korans,
Tafel XXXIV., und findet sich auch sehr häufig an den Zimmerdecken arabischer Häuser.
Das Ornament N o. 5, Tafel XLIIL, ist bemerkenswerth wegen seiner ausserordentlichen Zartheit sowohl,
als wegen des sinnreichen Systems nach Welchem es construirt ist. Die verschiedenen Theile, aus welchem
es besteht, sind einander ähnlich, und verkünden daher eines der wichtigsten Principien der maurischen
Zeichenkunst-ein Principium, das vielleicht mehr als jedes andere zum allgemeinen glücklichen Erfolg
dieser Kunst beitrug, und Welches darin bestand, die herrlichsten und verwickeltsten Eifecte durch das
Wiederholen einiger einfachen Elemente hervorzubringen.
Die Ornamentation der Mauren beruht übrigens auf einer geometrischen Construction, so sehr verhehlt
auch diese sein mag. Dass die Mauren eine besondere Vorliebe zu geometrischen Formen hatten, erhellt
schon aus der so häufigen Anwendung von Mosaiken in ihren Verzierungen, da diese Verzierungsweise ihrer
Fantasie freien Spielraum gewährte. Die Muster der Tafel XLIII. scheinen zwar sehr verwickelt, sind
aber ganz einfach, wenn man einmal das ihnen zu Grunde liegende Principium versteht: sie entstanden alle
aus gleichfernen Linien, die sich, um einen fixen Mittelpunkt her, gegenseitig durchschneiden. N0. 8 ver-
dankt seine Construction dem Principium, welches in dem auf der andern Seite eingeschalteten Abriss vor-
herrscht, ein Princip, welches die grösste Mannichfaltigkeit von Motiven erzeugt, und man kann mit Recht
behaupten, dass die von diesem System abzuleitenden geometrischen Combinationen ins Unendliche gehen.