MAURISCHE
ORNAMENTE.
stellen hatten, indem ihre Religion ihnen solches verbot. Sie arbeiteten zwar immer gerade wie die Natur
wirkt, wussten aber die unmittelbare Nachbildung derselben zu vermeiden; sie begnügten sich damit der
Natur ihre Principien zu entlehnen, ohne den Versuch zu machen, wie es in unserer Zeit geschieht, die
Werke der Natur zu copiren. In dieser Beziehung auch stehen die Mauren nicht allein: zu jeder Epoche
Wo der Glaube an die Kunst lebendig war, wurden die Ornamente durch ideale Behandlung veredelt; nie
wurde das Gefühl der angemessenen Schicklichkeit durch eine zu genaue Darstellung der Natur verletzt.
So war bei den Aegyptern ein in Stein ausgehauener Lotos, keine Darstellung der Blume wie man sie
pflücken möchte, sondern eine conventionelle Vergegenwärtigung, im vollkommensten Einklang mit dem
architektonischen Gliede, zu dem sie als ergänzender Theil gehörte, sie stellte das Sinnbild der königlichen
Macht über die Länder dar, wo der Lotos Wächst, und verlieh den Reiz der Poesie dem Gliede, welches ohne
solche Verzierung nur eine rauhe Stütze gebildet hatte.
Die kolossalen Bildsäulen waren nicht etwa kleine Männer in grossem Masstabe ausgehauen, sondern
bildeten architektonische Darstellungen der Majestät, die sinnbildlich die Macht des Monarchen vorstellen
sollten, so wie dessen standhafte Liebe zu seinem Volke.
In der griechischen Kunst wurden die Ornamente, die nicht länger symbolisch waren wie sie es bei den
Aegyptern gewesen, auf eine noch conventionellere Weise behandelt, und in der architektonischen Sculptur
der Griechen verkündete sich sowohl im Flachen als im Relief eine conventionelle Behandlung, die bedeu-
tend von der in ihren abgesonderten Bildhauerarbeiten sich offenbarenden Behandlung abwich.
Während der besten Perioden der gothischen Kunst wurden die aus Blumen bestehenden Ornamente
auch conventionell behandelt, und sie verrathen durchaus kein Streben auf unmittelbare Nachahmung
der Natur; als jedoch die Kunst in Verfall gerieth, nahm auch die idealische Behandlung ab, und der Ver-
such nachzubilden wurde viel deutlicher.
Dasselbe bemerkt man in der Glasmalerei, in welcher sowohl die Figuren als die Ornamente zuerst
conventionell behandelt wurden; aber mit dem Verfall der Kunst fing man an, die Figuren und den Falten-
wurf, die doch zur Durchlassung des Lichts bestimmt waren, mit Schattirungen und Schatten zu versehen.
In den frühen illuminirten Manuscripten waren die Ornamente conventionell, und die Illuminationen in
Hachen Tinten ausgeführt, mit geringer Schattirung und ganz ohne Schatten, während in den späteren Ma-
nuscripten die Ornamente aus natürlichen Blumen bestanden, die ihren Schatten aufs Blatte verbreiteten.
UEBER
COLORIT
DER
MAURISCHEN
ORNAMENTE.
Wenn wir das von den Mauren befolgte System des Colorits betrachten, finden wir, dass sie in der Farbe
sowohl als in der Form gewisse festgesetzte Principien befolgten, die aus der Beobachtung der Naturgesetze
hergeleitet wurden, und die sie mit allen den Nationen gemein hatten, welche die Künste mit Erfolg ausge-
übt haben. Dieselben Prineipien herrschen in allen den archaischen Stylarten die während der Epochen
des Glaubens ausgeübt Wurden, und obschon man in allen diesen Stylarten hie und da einen Localanstrich
und temporären Charakter trifft, so findet man ebenfalls in allen Vieles, was ewig und unabänderlich ist:
dieselben grossen Ideen in verschiedene Formen einverleibt und, so zu sagen, in verschiedenen Sprachen
ausgedrückt.
10. Die Alten gebrauchten die Farbe immer als Gehülßn zur Entwickelung der Form, und bedienten
sich derselben als Mittel zur Hervorhebung der constructionellen Formen eines Gebäudes.
In der ägyptischen Säule, in welcher die Basis die Wurzel-der Schaft, den Stiel- das Kapital, die
Knospen und die Blumen des Lotos oder des Papyrus vorstellten, waren die verschiedenen Farben immer
derart angewendet, dass sie der Säule einen grössern Anschein von Stärke verliehen, und die Contouren der
verschiedenen Linien in vollerer Entwiekelnng hervortreten liessen.
Im gothischen Style ebenfalls, bediente man sich der Farbe als Gehüliin zur Entwickelung der Form
des Felder- und Masswerkes, und zwar mit einer Wirkung von der man sich heut zu Tage, beim farbelosen
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