Volltext: Die Dekorationsformen des 19ten Jahrhunderts

Deutschland. 
der Baldachinträger die unvermeidlichen Greifen und unter den Lehnen des Thronsessels Sphinxe. In 
demselben Schlosse ist noch die Wiege des Königs von Rom erhalten, von Prudlhon entworfen. Auf 
den Stil der Möbel wirkten die Funde aus Herkulanum und Pompeji ebenfalls ein und führten dieselben 
zu einfachen Linien, reinen Umrissen und korrekten Formen zurück, allerdings oft auf Kosten der 
Bequemlichkeit, welche ein Hauptvorzug der Rokokomöbel gewesen war. Die ponipejanischen Entdeckungen, 
auch die auf Möbel- und Gerätewesen bezüglichen, wurden durch Stiche verbreitet und nachgeahmt, obgleich 
man an denselben sofort eine Art Kritik übte, indem man die pompejanischen Formen schon durch den Luxus 
der Hellenistischen und Kaiserzeit getrübt finden wollte. Percier und Fontaine waren auch auf dem 
Gebiete des Möbelwesens vielfach thätig und traten der maschinemnässigen Nachbildung und dem Surrogat- 
Schwindel kräftig entgegen; ihre Formgebung ist indes oft archaisierend, ebenso wie bei den Innendekora- 
tionen. In dem schon erwähnten Werke Perciers und Fontaines, Recueil u. s. w., finden sich unter 
anderen: eine Uhr im ägyptischen Stil, welche als Bekrönung einen Apollokopf von zwei Sphinxen 
begleitet zeigt; das Gehäuse ist nach oben verjüngt und schliesst mit der ägyptischen Hohlkehle ab, am 
Sockel befinden sich sitzende ägyptische Männerfiguren; Thronsessel mit Löwenfiguren als Seitenlehnen 
kommen mehrfach vor und enthalten geflügelte Genien als Ausfüllung der neutralen Felder. Die Abb. 8 
giebt von denselben Architekten einen Schreibsekretär mit gewölbtem Verschluss, welcher ausserdem mit 
Pilastern, Kandelabersäulen und Sphinxen ausgestattet ist. Die Bronzegiesserei erhält sich technisch auf 
der alten Höhe, verfällt aber bei den dekorativen Arbeiten ebenfalls in das Kopieren antiker Formen. 
Eine 1808 gegründete Schule für florentinisches Mosaik, unter Bellonis Leitung", ging 1823 ein. Es 
wurden noch eine Zeit lang gute Porträts in Emaille gefertigt, von Augustin und Counis, aber bald 
verschwand auch dieser Kunstziveig. Ein 1805 errichteter Preis zur Förderung der Grlyptik blieb ohne Erfolg. 
Deutschland. 
Die deutsche neuklassische Periode bringt keinen Stil hervor, der wie der französische eine ein- 
heitliche Bezeichnung rechtfertigen könnte; Frankreich hatte, wie schon bemerkt, ungeachtet seines 
Neurömertums doch eine Art Zusammenhang mit seiner alten Schulüberlieferung bewahrt, ausserdem 
war Paris damals mehr als jemals die Hauptstadt Europas und stellte den Künstlern grosse Aufgaben 
zur Lösung. Dieser Vorteile genoss Deutschland nicht; die Auslanderei der Rokoko- und Zopfzeit hatte 
die Bildung nationaler Schulen fast ganz verhindert und die öffentlichen Mittel waren durch die Kriege 
erschöpft. Das Bild der deutschen Kunstbewegung am Ende des 18. Jahrhunderts bietet deshalb nur 
wenige Lichtpunkte und wendet in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts noch zum Schliminern. 
Das öffentliche Bauwesen wird von Regierungscentren aus bureaukratisch schablonisiert, die Maler heften 
sich einzig an die offiziellen Akademien, die Bildhauer können nur noch in den Landeshauptstadten, 
im Dienst der Höfe, eine Existenz finden. In den grossen, ehemals reichen Handelsstadten Deutschlands, 
namentlich im Norden und im Osten, giebt es kaum noch einen namhaften Maler, Bildhauer oder Architekten. 
Das einzige Tröstliche in dieser trostlosen Zeit ist die Verdrängung der Ausländer, das vermehrte Hervortreten 
deutscher Meister, welche ungeachtet der Ungunst der'Zeit und der noch nicht ganz überwundenen geistigen 
Abhängigkeit vom Auslande, doch die Veranlassung zu den Anfängen deutscher Schulenbildung geben. 
Für die allmähliche Veränderung der deutschen Verhältnisse zum besseren, spricht namentlich der Umstand, 
dass sich jetzt nicht nur an die grossen Meister, sondern auch an die mittleren Talente eine Schule 
anknüpfen kann. 
Fast so früh wie in England und starker als in Frankreich macht sich in Deutschland die 
romantische Bewegung neben der neuklassischen geltend. Die Litteratur giebt ein treues Spiegelbild 
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