Moderne.
ausgesprochenen Pfeilerbaues, die freie Wahl jeder Deckenform mit beliebiger Anlage der Lichtöffnungen
und endlich eine bedeutende Verminderung der Mauerstärken. Die Anwendung der Eisenträgersysteme
hat es möglich gemacht, Räume in einer Weite zu überspannen, welche durch Steingewölbe nicht zu
erreichen war, zugleich konnten die Widerlager auf das geringste Mass eingeschränkt und hierdurch
eine tiefgreifende Änderung im Charakter der Innenarchitektur bewirkt werden. Das Eisen wird im
Hochbau zwar stets nur das statische Gerippe bilden, während die Füllungen aus anderem Material
hergestellt werden, aber das Eisen bleibt doch der die Hauptform bestimmende Faktor.
Beispiele grosser Eisenkonstruktionen im Hochbau geben die Bahnhofshallen, die Markthallen
und die Ausstellungsriiume. Als Hilfskonstruktion wird das Eisen in Gestalt flacher Stäbe und Draht-
geflechte, in Verbindung mit Stein und Zementmörtel, zur Bildung flacher Decken im Stockwerksbau
gebraucht, indess tritt das Eisen in diesem Falle nur an die Stelle des Holzes undübt keinen
verändernden Einfluss auf die Raumgestaltung. Etwas anders verhalt sich das Eisen in einer Anzahl
künstlerisch durchgebildeter Hochbauten, in denen starke T rägersysteme wohl zur Bildung weit gespannter
Decken benutzt werden, aber ohne selbst im Raume sichtbar zu werden; vielmehr sind die Wertritgerungen
meist hinter scheinbaren Gewölbformen versteckt. Ein Beispiel dieser letzteren Art bietet die Decke
des Yiuschauerraumes im neuen Königlichen Theater zu Wiesbaden, das von Fellner und Helmer
erbaut wurde. An dieser Stelle wiire ein Steingewölbe in der gegebenen Spannung, und auf dünnen
Eisenstützen ruhend, konstruktiv nicht möglich gewesen. Die dekorative Ausbildung der Decke mag die
anscheinende Unwahrseheinlichkeit der Konstruktion derselben vergessen lassen, immerhin wäre es besser,
wenn es gelungen Ware, das Eisen in seiner statischen Funktion sichtbar zu machen. Einen Versuch, das
Eisen als Kunstform zu zeigen, bieten einige Decken im Trocadero-Palast zu Paris, von Davioud und
Bourdais herrührend. Hier zeigt die Decke der halbkreisförmig um den grossen Konzertsaal geführten
Halle die unverhüllten Eisenträger, welche radial von der Wand zu den Pfeilern gelegt sind. Reicher
gestaltet sich ebendort die sichtbare Eisenkonstruktion in den beiden den Mittelbau begrenzenden Haupt-
eingangshallen: die grossen, über je vier Eisensäulenpaaren sich kreuzenden Kastenträger tragen die
ornamentierten Kassettendecken und sind ihrerseits ohne Ummantelung nur durch seitliche, regelmässig
gesetzte Nietstreifen und eine füllungsartige Verzierung des Unterblechs belebt.
Das Haus Tasse], Rue de Turin in Brüssel, von Victor Horta, ein von beiden Langseiten
eingebautes Dreifensterhaus (Art et Decoration), giebt ein Beispiel der Verwendung sichtbarer Eisenteile
an der Sandsteinfassade. Im Zwischen- und im Hauptgeschoss springt ein breiter, liachauslatlender Erker
vor, der im zweiten Stock mit einem Altan abschliesst. Der Erker wird im Entresol durch steinerne
Rundpfeiler geteilt, im Hauptgeschoss durch schmale eiserne Stützen. Auch die breiten laubenartigen
(Üffnungen im zweiten Stock über dem Erker sind durch Eisensaulen geteilt und mit einem aussen sichtbar
bleibenden Eisenträger überdeckt. Es wäre allerdings in diesem Falle noch die Frage, ob in der Ver-
wendung des Eisens ein Fortschritt zu erblicken ist, da dasselbe keine andere statische Funktion erfüllt,
alsidie allenfalls auch von Steinmaterial ausgeübt werden könnte. Die Einzelformen der Fassade sind
immerhin frei erfunden mit einiger Anlehnung an die Gotik oder die Antike. Das Innere des Hauses zeigt
denselben gemischten stilistischen Charakter wie die Fassade, in einer Anlehnung an herkömmliche Formen
in moderner Auffassung. Zugleich ist das gesamte Mobiliar, die Beleuchtungsgegenstande und Teppiche
von Horta entworfen.
Das Kunstgewerbe, soweit sich dasselbe mit der Ausstattung der Wohnräume beschäftigt,
bildet das Hauptfeld für die Bethätigung der modernen Stilrichtung, und giebt zugleich Gelegenheit, die
Menge für den Ausdruck frischer Ideen zu gewinnen. Was könnte es auch Wichtigeres geben, als eine
rein aus dem Bedürfnisse heraus, ohne Zuthat der auf einer lästig und unverständlich gewordenen Sym-
bolik beruhenden Formenwelt der alten Stilepochen, neu geschaffene Ausstattung unseres Heims, unserer