Volltext: Die Dekorationsformen des 19ten Jahrhunderts

Moderne. 
Der Entwurf Kirchmayrs zu einem Wolm- und Speisezimmer, welchen die Zeitschrift „Deutsohe 
Kunst und Dekoration" enthält, zeigt eine vorherrschende Holzbekleidung für Wände und Decke. Jene 
sind mit geschnitzten und bemalten Thafelungen bedeckt, einzelne Felder derselben sind durch japani- 
sierende, gemalte Pflanzenmotive belebt; die Decke hat sichtbare Balken und einen Überzug. Im ganzen 
überwiegt der historisch-stilistische Zug. Der Entwurf zu einem Speisezimmer von demselben Künstler, 
diesmal in besonders reicher Ausbildung der Wandtäfelung, welche durch ein konstruktives, an Zimmermanns- 
werk erinnerndes Gerüst geteilt wird, wird nach oben durch einen Fries von Blendmasswerk abgeschlossen. 
Die Verzierungen sind in Kerbschnitt oder in Flachschnitzerei hergestellt, ebenso ist der mittlere Teil 
der vorspringenden Deckenbalken durch Kerbschnitt verziert. Ein zweiter Entwurf zu einem Speisesaale 
benutzt die Form der gewölbten Decke aus Schloss Trostburg in Südtirol, lehnt sich also ganz 
ausgesprochen an historisch gegebene Muster an. Die Decke des Raumes zeigt im Querschnitt einen 
Kleeblattbogen und ist durch Längsbalken, nicht übermassig organisch, geteilt. Die Wände sind wieder 
ganz in Holz getafelt und die Verzierungen in Kerbschnitt ausgeführt. Ein Entwurf zu einem Wohn- 
und Speisezimmer hat holzgetafelte Wände und eine Balkendecke mit Brettbelag; die gemalten Wand- 
felder zeigen stilisiertes Laubwerk in moderner Auffassung. 
Ein Wohnzimmer im Hause A. Riedinger in Augsburg, von Meder ausgeführt (Deutsche Kunst 
und Dekoration), ist ganz im Charakter der deutschen Spatrenaissance gehalten. Ein Arbeitszimmer 
im Hause des Herrn C. Glaser in Berlin, von G. Ebe entworfen, enthält eine Holzdecke mit ein- 
gelassenen Gemälden und allegorischen Skulpturen von E. Herter, und hat an den Wänden über 
einem Paneel eine Felderteilung von Holz. Die Felder sind mit gemalten Gobelins ausgefüllt, welche 
Pflanzenmotive auf landschaftlichem Hintergründe darstellen, Aus einem Münchener Hause, von Eman. 
Seidl in einem deutschen Barockstile, welcher der Hochrenaissance nahesteht, ausgeführt, sind einige 
Zimmeransichten in „Kunst und Dekoration" mitgeteilt. Die Bibliothek ist mit einer Balkendecke 
versehen, welche eine Felderteilung in Holz enthält; der Empfangssaal ist an den Wänden mit Seiden- 
damast bespannt; die iiache Decke schliesst sich mit einer durch Stuckornamentik verzierten Kehle an 
die Wände an; der ganz in Holz getafelte Speisesaal hat eine flach gewölbte Decke mit Stuckornanientik. 
Eine Gelegenheit zu malerischer Ausstattung bietet öfter die Diele oder Halle der Wohnhäuser, und 
zeigt sich im einzelnen gelegentlich mehr oder weniger von der neuen Richtung beeinflusst. Eine Diele 
in Holzarchitektur im Hause des Herrn Fromberg in Berlin, von Cremer und Wolfenstein 
herrührend, bewegt sich in Formen, welche den Charakter der Tiroler Gotik tragen (Abb. 63). Dagegen 
zeigt der Entwurf einer Halle von Karl Statsmann in Strassburg den Anschluss an die historischen 
spatgotischen Formen. Die Diele einer Villa zu Blasewitz bei Dresden, von Fr. Schneider in Leipzig, 
zeigt den Stil der Frührenaissance ohne Einmischung des Modernen. Eine zweite Villa bei Gera, von 
demselben Architekten, hat ebenfalls eine Diele, aber freier aufgefasst als die vorige und in frühgotischen 
Formen. Ein Beispiel der Übertragung englischer Art giebt ein von J os. Dräger in Wien entworfener 
Vorplatz mit eingebauter Treppe; ähnlich wirkt die Erkerstudie von Har.tmann und Ebert in Chemnitz, 
welche auch das englische mit Geschrank überbaute Sofa aufgenommen hat. 
Der neue Justizpalast in München, von Fr. v. Thiersch ausgeführt, erinnert an den Stil Ef f ners, 
also an das alte Barock in süddeutscher Auffassung, wie dies namentlich in der Bibliothek des Justizpalastes 
an den durchbrochenem Füllungen der Schränke und an den Geländern der oberen Galerie hervortritt. 
Dagegen zeigen die Stuckverzierungen der Gewölbe in den Wandelgängen ein aus naturalistischen Formen 
bestehendes Ornament; dasselbe ist aus verschiedenen Wasserpiianzen zusammenkomponiert. 
Wegen seines weitgehenden Einflusses auf die architektonische Raumgestaltung, namentlich auf 
die Decken- und Stützenbildung, hat das Eisen eine grosse Wichtigkeit erlangt. Wie schon in den vorigen 
Abschnitten des vorliegenden Werkes dargethan wurde, kann man seit den ersten Jahrzehnten des
	        
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