Volltext: Die Dekorationsformen des 19ten Jahrhunderts

hitoktur. 
Der Vorzug nationaler Eigenheit tritt bei den englischen Innendekorationen am kräftigsten her- 
vor, weniger bei den belgischen, und bei den Deutschen nur dann, wenn sie eine Verschmelzung der 
neuen Richtung mit den historischen Stilarten darstellen. Besonders geeignet für die letzt angedeutete 
Auffassung erweist sich die Tiroler Gotik, eine mit Frührenaissance gemischte Form der Spätgotik, die 
sich zwar wie alle Profangotik aus dem Kirchenstil herausgebildet hat, jedoch den Vorteil bietet, dass sie 
sowohl in das Schloss wie in das Bauernhaus Eingang gefunden hat. Es wäre freilich noch die Frage, 
0b es mehr als eine Modelaune ist, Welche dieser durch landschaftliche Eigenheit mehr als andere streng 
begrenzten Stilform eine allgemeinere Geltung verschaffen will. Man muss zwar für Deutschland die 
vorzugsweise Berechtigung der historischen Gotik zugeben, die hier fast 300 Jahre lang ununterbrochen 
Serrurier, Brüssel. 
Arbeitszimmer von G. 
Nach The Studio. 
geblüht und noch im 17., 18. und jetzt wieder im 19. Jahrhundert immer wieder frische Triebe gezeitigt 
hat. Die Tiroler Gotik zeichnet sich durch weiche, schlichte Formen aus, und ist durchaus auf die Ver- 
arbeitung des Holzes gegründet. In den Flachschnitzereien linden sich stilisierte heimische Pflanzen, 
dann die Formen der Jagd- und Haustiere, endlich Allegorien und Sprüche, alles im stimmungsvollen 
Zusammenklange. Hierzu treten noch gravierte Ornamente, plastische Einzelstücke, Masswerksmuster 
und die Belebung durch Farbe. In letzter Zeit hat besonders Herm. läirchmayr zu Klausen in 
Südtirol eine Anzahl Raulndekorationen in Tiroler Gotik geschaffen, nicht als schablonenmassige Wieder- 
holungen des Alten, sondern in moderner Auffassung, denen der Beifall nicht versagt werden kann; und 
welche für das deutsche Gefühl anheimelnder wirken als die Nachahmungen der steifen englischen Leis- 
tungen. Allerdings sind die Kirchmayrschen Entwürfe mit einem gewissen Reichtum ausgestattet, 
welcher mehr dem Schlosse als dem Bauernhause angehört.  
Eb e, Dekorationsformen des 19. Jahrhunderts. 24
	        
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