Deutschland.
formen wieder zur Anwendung kommen musste. Hierher gehörte auf dem Gebiete der struktiven Gliede-
rungen das Vorkommen der vertieften gotischen Profilierungen neben den architravierten vertretenden
Umrahmungen und plastischen Bekrönungen an den Öffnungen desselben Gebäudes, die Teilung der
Fenster durch Steinkreuze, die Ausfüllung der Brüstungen durch Masswerksmuster u. a., während die
vorkommenden Saulen- und Pilasterordnungen sowie der Schnitt der teilenden und abschliessenden
Horizontalgesimse stets dem antiken Schema nachgebildet wurden. Auf dem Gebiete der reinen Ornamentik,
in den aufsteigenden, horizontalen und neutralen Flächenverzierungen herrschten ebenfalls die Renaissance-
formen und entfalteten sich als zierliches Blatter- und Rankenwerk, vielfach noch mit den aus der
antiken Mythologie geschöpften Fabelwesen vermischt. Man kann diese Mischung der aus verschiedenen
Epochen entnommenen Formen, die einstmals aus der Aneignung eines fremden Stils und dem gleich-
zeitigen Beharren auf nationaler Überlieferung historisch notwendig hervorgegangen war, als unorganisch
tadeln und für die logischer verfahrende Kunst der Neuzeit unpassend finden; auch ist nicht zu ver-
kennen, dass die neue Wiederbelebung vorzugsweise aus dem Streben nach malerischer Abwechslung entspringt,
und sich in der That Wenig zum Ausdrucke einer strengen Monumentalität eignet. Aber man darf doch
nicht vergessen, dass ein Ausgleich zwischen den Formen der historisch-stilistischen Epochen immerhin
als eine Vorbereitung für eine vielleicht nicht allzuferne Stufe der Kunstentwicklung gelten muss, welche
sich aller Mittel ohne Rücksicht auf ihr Herkommen rein zum Zwecke des charakteristischen Ausdrucks
bedienen will, und deshalb die puristische Isolierung der Einzelformen früherer Epochen nicht mehr als
unumgängliche Notwendigkeit auffasst.
Um nun noch einmal auf die Leistungen des Kunstgewerbes zurückzukommen, so nahmen dieselben
in der bezeichneten Periode wirklich einen bedeutenden Auffschwung, wenn man die aufwandvolle Aus-
stattung derselben mit Zierformen und namentlich ihre Verbreitung in weite Kreise in Rechnung stellt.
Unter den prunkvollen schmiedeisernen Thoren und Gittern, den mit Schnitzerei verzierten Wand- und
Deckentafelungen, ebenso in den Möbeln, Teppichen, Wandtapeten u. s. W. findet sich vieles Vortreffliche.
Im allgemeinen hatte sich das Kunsthandwerk zu einer gewissen Selbständigkeit heraufgearbeitet, die nur
als ein entschiedener Fortschritt zu begrüssen wäre, wenn nicht gleichzeitig sich ein Nachteil durch die Über-
handnahme des Mechanisch-handwerklichen hervorgethan hatte, ähnlich wie dies am Ausgange der gotischen
Epoche der Fall gewesen war. Jetzt wie damals schienen die wesentlichen Teile der eigentlichen architek-
tonischen Dekoration der Hand des leitenden Künstlers zu entschlüpfen, so dass dieser, ähnlich dem
Kapitän auf der Kommandobrücke, nur die Leitung von oben herab behielt, während das Schaffen der
Einzelheiten sich seinem bestimmenden Einfluss entzog. Die Richtigkeit dieser Bemerkung lasst sich
an den Stuckornamenten des Äussern und Innern, an der dekorativen Malerei und an manchem Anderen
prüfen. Derselben Ursache wäre in der Möbelfabrikation ein allzu üppiges und gedankenloses Über-
wuchern der Barockformen zuzuschreiben, auf welches notwendig eine Rückkehr zum Einfacheren
folgen musste.
Endlich entwickelte sich auf Grund der oben geschilderten Bestrebungen eine neue Richtung
in der Kunst, die sogenannte "Moderne", welche, im bewussten Gegensatze zur Nachahmung der histo-
rischen Stilschablone, eine freiere Art des Schaffens anbahnte. Ein Abriss dieser Bewegung soll den
Inhalt des nachfolgenden Abschnitts unserer Arbeit bilden.
Skulptur.
In der Skulptur dieser Periode bildet das Streben nach der volkstümlichen Verkörperung deutscher
Gedanken, nach der Belebung der überlieferten Formenwelt für das moderne Empfinden die vor-
lierrschendste Erscheinung; ebenso bezeichnend ist die Wiederanknüpfung an die grosse Schule Michel-